Baumgärtner: „Bei der TI ist nur sicher, dass sie unsicher ist“

20. November 2019

„Die permanenten Versuche der gematik, sich ihrer Verantwortung zu entziehen, indem sie versucht, diese den Praxisinhabern zuzuschustern, sind infam und hochgradig unlauter“, kritisiert Dr. Werner Baumgärtner, Vorstandsvorsitzender von MEDI GENO Deutschland. Die Beweise dafür finden sich im Schutzprofil der aktuell in den Praxen verbauten Konnektoren.

So steht auf Seite 127, Abschnitt 7.6.2: „… muss nach dem Stand der Technik davon ausgegangen werden, dass Leistungserbringer eine Kompromittierung eines ihrer IT-Systeme im LAN nicht sicher verhindern bzw. nicht in jedem Fall frühzeitig erkennen können.” Dieser Hinweis findet sich auch schon in der ersten öffentlichen Version des Schutzprofils auf Seite 129.

„Das bedeutet, dass BMG, gematik und BSI mindestens seit 2014 Bescheid wissen, dass die Praxen die Anforderung, die Sicherheit ihrer Systeme bei einem TI-Anschluss zu gewährleisten, schon rein technisch nicht erfüllen können“, erklärt Baumgärtner und ergänzt: „Im günstigsten Fall ist das nur der Versuch, sich der eigenen Verantwortung zu entziehen. Im ungünstigsten Fall wird hier planvoll eine Vielzahl von Datenpannen provoziert, um die Menschen in Deutschland daran zu gewöhnen, dass die Umsetzung der zentralen Patientendatenbank nach DVG und deren Vermarktung keine Proteste mehr auslöst. Die Schuldigen sind ja die Arztpraxen.“

Weiter heißt es nach §291b SGB V, dass die primäre Verantwortung bei der gematik liegt: „(1) Im Rahmen der Aufgaben nach § 291a Absatz 7 Satz 2 hat die Gesellschaft für Telematik

  1. die funktionalen und technischen Vorgaben einschließlich eines Sicherheitskonzepts zu erstellen,
  2. Vorgaben für den sicheren Betrieb der Telematikinfrastruktur zu erstellen und ihre Umsetzung zu überwachen,
  3. die notwendigen Test- und Zertifizierungsmaßnahmen sicherzustellen und …“

„Dieser Verantwortung wurde die gematik nicht gerecht“, so Baumgärtner. Denn es gab und gibt von ihr kein Sicherheitskonzept für Praxen. Insbesondere nicht für solche, die im Rahmen des TI-Anschlusses erstmalig vernetzt werden. Darüber hinaus gehören zum Betrieb selbstverständlich auch die Inbetrieb- und Außerbetriebnahme der dezentralen TI-Komponenten. „Hier hätte die gematik Vorgaben erlassen und deren Umsetzung überwachen müssen“, erinnert der MEDI GENO-Chef.

Selbst in den Handreichungen für die TI-Konnektorinstallateure in der Version 2.2.0 vom 28.08.2019 – übrigens nachgeschoben, lange nachdem viele Konnektoren bereits installiert waren – enthält die grafische Darstellung des Parallelanschlusses keine mit Firewall beschriftete Komponente und der Hinweis auf die Notwendigkeit einer Firewall im Parallelbetrieb ist ziemlich versteckt. In der Vorgängerversion 2.0.0 vom 18.10.18 wurde auf die Notwendigkeit einer Firewall im Parallelbetrieb erst gar nicht hingewiesen. Für das Niveau der Test- und Zertifizierungsmaßnahmen schreibt die gematik in den Handreichungen in Abschnitt 1.1.2 „Erforderliche Fachkenntnisse eines DVO”: „Um als (selbstständiger) Dienstleister vor Ort tätig zu werden, benötigen Sie keine gesonderte Zertifizierung…“

Hinzu kommt, dass die Installateure im Akkord arbeiten, da die Installationen pauschal abgerechnet werden. Je höher der Durchsatz, desto höher der Umsatz. „Wer hier eine Sicherheitsberatung oder eine Beschäftigung mit den individuellen Sicherheitsbedürfnissen und -vorkehrungen der Praxis erwartet, ist ziemlich naiv“, bilanziert Baumgärtner. Im Gegenteil: Berichte aus den Praxen sprechen klar dafür, dass Sicherheitsvorkehrungen, die einer schnellen Installation im Weg standen, vielfach abgeschaltet wurden.

„In diesem für die Praxen fatalen Szenario war die einzig positive Entwicklung, dass die gematik für den Betrieb der dezentralen TI-Komponenten, also Konnektor und Kartenlesegeräte, sowie die entsprechend auf Verlangen der gematik in die PVS eingebrachten Funktionalitäten, eine klare datenschutzrechtliche Mitverantwortung trägt“, so Baumgärtner. Das geht eindeutig aus einem Beschluss der letzten Datenschutzkonferenz, also der Versammlung der Bundes- und Landesdatenschutzbeauftragten, hervor. „Das begrüßen wir außerordentlich“, sagt Baumgärtner.

 

Social Media

Folgen Sie uns auf unseren Plattformen.

Aktuelle MEDI-Times

MEDI-Newsletter

Mit dem kostenfreien MEDI-Newsletter informieren wir Sie regelmäßig über aktuelle Themen und die neuesten Angebote. Bleiben Sie mit uns auf dem Laufenden!

Die Datenschutzerklärung habe ich zur Kenntnis genommen und bin damit einverstanden.*

Auf Facebook kommentieren!

„Diabetologische Leistungen sind im EBM nur unzureichend abgebildet“

Wachsende Patientenzahlen, steigende Anforderungen an die Therapie und fehlende Finanzierung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) stellen diabetologische Schwerpunktpraxen (DSP) bundesweit vor große Herausforderungen. Wer sich in Baden-Württemberg dem MEDI-Diabetologievertrag angeschlossen hat, ist deutlich besser dran. Der Diabetologe Dr. Richard Daikeler erläutert die Stärken des Vertrags – und erklärt, warum er den Protest der Kolleginnen und Kollegen bundesweit unterstützt.

Neues Konzept zur ambulanten Weiterbildung: „Das ist eine Investition in die Zukunft“

Neues Konzept zur ambulanten Weiterbildung: „Das ist eine Investition in die Zukunft“

Mehr ambulante Angebote, weniger Fokus auf die Kliniken – wohin die Reise bei der Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin gehen soll, ist eigentlich klar. Doch der Weg dorthin gestaltet sich allzu oft holprig. Ein neues Konzept von Young MEDI unter der Federführung der Allgemeinmedizinerin Dr. Christine Blum und des Orthopäden Dr. Ferdinand Gasser soll das ändern und die ambulante Weiterbildung attraktiver und zugänglicher gestalten.

Elektronische Patientenakte: MEDI fordert deutliche Verschiebung für sicheren Start –Scharfe Kritik an intransparenter Kommunikation des BMG

MEDI Baden-Württemberg e. V. fordert eine deutlich längere Testphase für die elektronische Patientenakte (ePA) und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf, den Start der ePA realistisch und transparent anzupassen. Die Bedenken der Anbieter der Praxisverwaltungssysteme (PVS) müssten ernst genommen werden. Die aktuelle Kommunikation des BMG zur Zeitplanung sorge für Verwirrung bei der niedergelassenen Ärzteschaft.