Teamkonflikte Teil 1: Was ist dran, am Zickenkrieg?

Arztpraxen arbeiten täglich unter Hochdruck. Konflikte und Missstimmungen gehören wie in allen Teams dazu. Was können Praxisteams tun, um Konflikte zu lösen und was ist dran, am sogenannten “Zickenkrieg” in Frauenteams? Katrin Holzinger ist Gesundheitsökonomin mit umfassenden Managementerfahrungen im Gesundheitswesen und Cognitive-Coach im Dr. Holzinger Institut. In unserer dreiteiligen Serie spricht MEDI mit ihr über Konfliktbewältigung, die Rolle des Coachings und über Cheffing.  

MEDI: Frau Holzinger, was halten Sie von solchen Begriffen wie „Zickenkrieg“?

Katrin Holzinger: Sie gehören in eine stereotypische Schublade. Das Wort Zicken ist mit Weiblichkeit verbunden. Mit dem Begriff Zickenkrieg schließt man die Männer aus, als ob sie per se nichts damit zu tun hätten. Die Frage ist, ob solche Begriffe überhaupt angebracht sind. Sprechen wir über Ziegen oder sprechen wir über Menschen? So ist es eine Form von Übertreibung und Abwertung. Klar ist, wenn der Begriff Zickenkrieg fällt, sind definitiv Konflikte im Spiel und man muss genauer die Gründe erkunden, wenn man eine mögliche Eskalation vermeiden will. Es sind viele Emotionen im Spiel und man muss sich fragen, ob diese Emotionen gesund für die Situation sind oder überspitzt werden. Genau auf diese gewaltigen Spannungen konzentrieren wir uns, weil wir als Coaches so Schritt für Schritt zum Kern und zur Lösung kommen. Denn der Zickenkrieg entsteht nicht von jetzt auf gleich, sondern er entwickelt sich.

MEDI: Eine einmalige Auseinandersetzung würde man vermutlich nicht so bezeichnen?

Katrin Holzinger:  Ich würde es gar nicht unbedingt an den zeitlichen Horizont binden. Es spielen verschiedene Faktoren hinein. Wenn zum Beispiel jemand eine impulsive Persönlichkeit hat, kann ein Zickenkrieg von einer Sekunde auf die andere entstehen. Dann weiß das Gegenüber wahrscheinlich gar nicht, was plötzlich los ist und steigt darauf ein. Offiziell bestand eigentlich noch gar kein Konflikt. Wenn das nun zwei sture Wesen sind, kann das zum dauerhaften Zickenkrieg werden. Man muss unterscheiden, ob es sich um einen kurzfristigen, aus der Impulsivität entstandenen Streit handelt oder ob Unausgesprochenes existiert und somit ungelöste Probleme den Konflikt verschärfen und in die Länge ziehen.

MEDI: Sind Arztpraxen und Gesundheitseinrichtungen anfälliger für Konflikte dieser Art als andere Branchen?

Katrin Holzinger: Bei Konflikten muss man sich stets die beteiligten Persönlichkeiten und das Umfeld anschauen. Arztpraxen und ihre Teams stehen natürlich unter enormen Druck und benötigen sicher mehr Widerstandskraft als das in anderen Branchen nötig ist. Dort stehen jeden Tag viele kranke Menschen mit Problemen am Tresen, die angehört werden wollen. Und selbst der besten Medizinischen Fachangestellten kann vielleicht in einem Moment die Kraft ausgehen und sie reagiert gereizt. Das Gegenüber nimmt nur diesen einen Moment wahr. Es ist wie ein Vulkan, der sich den ganzen Tag aufgestaut hat. Ein Laie würde plump meinen, es liegt nur daran, weil dort viele Frauen arbeiten. Studien zeigen, dass interpersonelle Konflikte in allen Teams auftreten können, unabhängig vom Geschlecht und der Branche, aber in stressreichen Umgebungen wie medizinischen Fachbetrieben kann das häufiger vorkommen und intensiver erlebt werden.

MEDI: Das Wort „Zickenkrieg“ bezieht sich auf einen längeren Prozess. Was kann man dann tun?

Katrin Holzinger: Zuerst sollte man sich ehrlich bewusst machen, woher die Spannungen kommen. Wie Sie richtig sagen, bezieht sich das Wort Krieg auf lange Konflikte. Das sehen wir überall in der Welt. Für Sachen, die plötzlich explodiert sind, scheint keine Lösung in Sicht zu sein. Bezogen auf die Arztpraxis muss man schauen, wie hoch der Stresspegel ist und wieso der so hoch ist. Für diese erste wichtige Aufgabe braucht man einen klaren Kopf, um das wahre Problem zu erkennen. Dann ist ein konstruktives Gespräch möglich und man hat überhaupt die Chance, die richtige Lösung zu finden. Sonst stochert man im Nebel oder die Konflikte verhärten sich weiter. Für diese klare und lösungsorientierte Kommunikation sind die Führungskräfte ganz stark gefragt.

MEDI: Was sollen MFA-Teams tun, wenn die Führungskräfte sagen, dass die Frauen den Streit unter sich ausmachen sollen?

Katrin Holzinger: Wenn der Konflikt bereits verhärtet ist, ist das eine besonders große Gefahr. Ich erlebe das im Arbeitsalltag öfter. Wenn sich die Führungskräfte rausziehen, wird es oft noch schlimmer. Es bilden sich im Team weitere Fronten, Mitarbeiter werden krank und fallen aus. Besteht ein Arbeitsverhältnis, greift das Arbeitsschutzgesetz und der Arbeitgeber steht in der Pflicht, bei Konflikten zu intervenieren. Schließlich sollen Mitarbeitende vor psychischen Belastungen geschützt werden. Fehlt die Rollenklarheit oder haben Führungskräfte Angst oder keine Ahnung, wie sie vorgehen sollen, verhärten sich solche Konflikte deutlich stärker. Es ist wichtig, dass Klarheit herrscht. Wie ist unsere Kultur? Wie offen und ehrlich können wir miteinander sprechen? Oder ist das nur ein Schauspiel? Welche Standpunkte habe ich, was ist rational und was nicht, was ist angemessen und was blockiert uns? Dafür braucht es viel Menschenkenntnis. Eine Führungskraft, die versteht, was passiert, kann wahrnehmen, wenn Mitarbeitende den Konflikt nicht allein lösen können und welche Konsequenzen das auch für das gesamte Team hat.

MEDI: Das heißt, eigentlich müsste dann die Führungskraft ins Coaching gehen und nicht nur die Mitarbeiterinnen.

Katrin Holzinger: Ja, besser ist es. In den Ergebnissen der aktuellen whatsnext-Studie steht ganz klar, dass Führungskräfte eine tragende Rolle haben. Manche Führungskräfte haben selbst keine Idee, keine Lust oder keine Zeit, den Konflikt zu lösen oder es ist ihnen zu anstrengend. Sie schicken dann ihre Mitarbeitenden ins Coaching. Für uns ist das verbrannte Erde, weil wir zwar in dem Moment die Einzelnen und vielleicht auch zwei Kolleginnen coachen können. Aber danach gehen sie wieder zurück und können ihre Erkenntnisse im alltäglichen Arbeitsprozess nur schwer bis gar nicht umsetzen. So ergibt sich keine dauerhafte Veränderung. Veränderungen brauchen Zeit. Neulich arbeitete ich mit zwei Frauen im Coaching ihren Konflikt auf und es stellte sich heraus, dass dieser schon drei Jahre brodelte, bevor sie zu mir kamen. Als Coach erfordert das eine hohe Kompetenz, weil die Wut leiser geworden ist, aber das Problem nicht gelöst ist. Wenn dem Problem nur aus dem Weg gegangen oder es verdrängt wird, wird es oft noch gefährlicher. Denn ungelöste Konflikte belasteten alle beteiligten Menschen und ihre Gesundheit. Nicht immer muss eine Auseinandersetzung menschliche Beziehungen in Frage stellen. Eine empathische Führungskraft könnte zum Beispiel sagen: „Okay, das war heute für alle ein stressiger Tag. Anstrengend und heiß. Können wir das Problem auf die sachliche Ebene zurückführen?“ Im Coaching gehen wir das in Bezug auf Mensch und Sache strukturiert durch. In dieser guten Teamarbeit erkennt man so zügig, wie unnötig solche Zickenkriege sind.

Dagmar Möbius

 

 

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