Eine Staatsmedizin, wie sie dem Bundesgesundheitsminister vorschwebt, widerstrebt den ureigenen Interessen von MEDI. Das erste Jahr als Vorsitzender des fachübergreifenden Verbands war für Dr. Norbert Smetak daher vor allem vom Widerstand gegen die Berliner Politik geprägt.
„Wir leben in sehr herausfordernden Zeiten, was den Erhalt der ambulanten Versorgung angeht. Wir brauchen weiterhin eine starke fachübergreifende Stimme aus der niedergelassenen Ärzteschaft, um unsere Interessen politisch durchzusetzen.“ Mit diesen Worten hatte der in Kirchheim unter Teck niedergelassene Kardiologe Dr. Norbert Smetak im Juli 2023 seine Wahl an die Spitze von MEDI Baden-Württemberg e. V. kommentiert. Heute, ein Jahr später, antwortet er auf die Frage nach der Bilanz seiner bisherigen Amtszeit entsprechend: „Die größte Herausforderung? Nur ein Wort: Lauterbach!“ Doch natürlich findet er noch ein paar mehr Worte für die aktuelle Berliner Gesundheitspolitik: „Unser Bundesgesundheitsminister sitzt in seinem Elfenbeinturm und lässt sich durch nichts beeinflussen.“
Mit Protestaktionen den Finger in die Wunde legen
Dennoch versucht Smetak, gemeinsam mit den Vertreterinnen und Vertretern anderer Berufsverbände, zum Minister durchzudringen und Einfluss geltend zu machen, „damit es nicht zur Lauterbach’schen Staatsmedizin kommt, die er ja offensichtlich anstrebt.“ Derartige Pläne widersprechen selbstredend nicht nur MEDIs ureigene Interessen, sondern denen der gesamten Ärzteschaft. Und so war sein erstes Jahr an der Spitze von MEDI geprägt von aufmerksamkeitsstarken Protestaktionen – auf dem Stuttgarter Schlossplatz, beim baden-württembergischen Gesundheitsminister, vor dem Deutschen Ärztetag oder gegen die Forderungen des Verbands der Ersatzkassen und aktuell gegen eine unausgereifte elektronische Patientenakte. Mit all diesen Aktionen legt MEDI angesichts der verschiedenen politischen Debatten und Referentenentwürfe aus dem Ministerium den Finger in die Wunde. Auch die drohende Sozialversicherungspflicht für Poolärztinnen und -ärzte im ärztlichen Notdienst sowie die immer neuen Hiobsbotschaften rund um die Digitalisierung des Gesundheitswesens bestimmten Smetaks Alltag. „Hierzu werden intern und extern viele Gespräche geführt. Einzelgespräche ebenso wie Meetings im gesamten Team, bei denen ich mir die Sorgen und Nöte aller Beteiligten anhöre“, berichtet er.
Dabei legt Smetak Wert auf die Feststellung, dass MEDI sich nicht per se gegen digitale Prozesse in Arztpraxen wehrt – im Gegenteil: „Eines unserer wichtigsten Projekte ist garrio, für das ich bereits mehrfach nach Vietnam gereist bin.“ Hinter garrio verbirgt sich zum einen ein Messenger-Dienst für die sichere Kommunikation zwischen den Arztpraxen untereinander, aber auch mit ihren Patientinnen und Patienten. Zum anderen umfasst das garrio-Portfolio in Kürze auch ein modernes Praxisverwaltungssystem (PVS) mit einer kopplungsfreien Software-Architektur. Dank der innovativen Digitalprojekte, erfolgreicher Selektivverträge und neuer Versorgungsformen wie Medizinische Versorgungszentren (MVZ) unter der Regie von MEDI sieht Smetak seinen Verband auch für die Zukunft gut aufgestellt: „Das ist schon herausragend, ich kenne keinen anderen Verband, der seinen Mitgliedern so viel zu bieten hat.“
Starker Fokus auf Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Hinter den wirtschaftlichen Projekten von MEDI steht weiterhin der Gedanke, dass Praxen ihre politischen Ziele nur dann erreichen können, wenn sie ökonomisch gut aufgestellt sind. „In diesem Punkt setze ich ganz klar die Arbeit von Dr. Werner Baumgärtner fort“, erklärt Smetak. Wie bereits sein Vorgänger sieht er MEDI als ein Gegengewicht zu Institutionen wie die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen): „Wir können gegenüber den Medien ganz anders auftreten, weil wir keinen staatlichen Auftrag haben.“ Bei dieser politischen Positionierung steht für Smetak die Teamarbeit im Vordergrund. Hierzu gehört für ihn auch, im Rahmen des Alltagsgeschäfts die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit weiterzuentwickeln. „Ich habe gute Unterstützung durch die Kommunikationsabteilung, Victoria Toll und Jill Sayer sowie Tanja Reiners als freie PR-Beraterin sind ein gutes Team, das es uns ermöglicht, in hoher Qualität schnell zu reagieren.“ Der Umgang mit Medien und Öffentlichkeit war Smetak bereits in seiner Zeit als stellvertretender MEDI-Vorsitzender vertraut, doch seit er das Amt des ersten Vorsitzender innehat, ist es ihm wichtig, „dass in Stellungnahmen und Pressemitteilungen nicht immer nur ich zitiert werde, sondern auch einmal andere, damit MEDI nicht als Alleinveranstaltung wahrgenommen wird.“ Teamarbeit –insbesondere mit seinen Stellvertretern und dem Vorstand – ist für Smetak beim Voranbringen von MEDI und seinen politischen Zielen sehr wichtig.
Personelle Vernetzung mit anderen Berufsverbänden
Als hilfreich hat es sich im ersten Jahr von Smetaks Amtszeit erwiesen, dass er nicht nur bei MEDI aktiv ist, sondern auch dem Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK) vorsteht und dem Vorstand des Berufsverbands Deutscher Internisten (BDI) sowie dem Vorstand des Spitzenverbands Fachärzte (SpiFa) angehört. Außerdem ist Smetak Mitglied im beratenden Fachausschuss der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Der MEDI-Vorsitzende betont allerdings, dass es ihm keineswegs um Ämterhäufung, sondern vielmehr um Synergien und Vernetzung geht: „Beim BNK werde ich mich aus dem Vorsitz zurückziehen, doch beim BDI und auch beim SpiFa möchte ich weiterhin im Amt bleiben“, erklärt er. „Denn wenn alle Beteiligten gleichermaßen tief in der Materie stecken, dann kann man sich gegenseitig mit Ideen voranbringen und muss nicht immer wieder bei Null anfangen.“ Über den SpiFa habe man außerdem einen besseren Zugang zu Informationen und könne eigene Standpunkte in die politische Arbeit des SpiFa einbringen: „Ich versuche, auch anderen Organisationen MEDI-Projekte anzubieten, um unser Gewicht auf Bundesebene zu erhöhen.“
Gleichzeitig hat Smetak auch die Nachwuchsgewinnung bei MEDI fest im Blick: „Wir diskutieren viel darüber, wie wir jüngere Ärztinnen und Ärzte davon überzeugen können, sich aktiv einzubringen. Wie wir sie ansprechen sollten, mit welchen Botschaften wir sie gewinnen und Verbandspolitik für sie attraktiv machen können“, erzählt er. Historisch sei MEDI zwar ein Verband, der sich in erster Linie an selbstständige Ärztinnen und Ärzte richtet. Mit dem wachsenden Trend zu mehr Angestelltenverhältnissen auch in der niedergelassenen Versorgung sowie zur Feminisierung der Ärzteschaft müsse man aber neue Wege gehen, um den ärztlichen Nachwuchs zu erreichen. Der seit der Corona-Pandemie ungebrochene Trend zu Online-Meetings statt Präsenz-Treffen ist dabei bereits eine kleine Hilfe, denn er erleichtert es beispielsweise jungen Ärztinnen und Ärzten, politische Arbeit mit familiären Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen.
Eng getaktete, aber gut organisierte Arbeitstage
Doch Smetak selbst weiß die Vorzüge der neuen Kommunikationswege ebenfalls zu schätzen. Denn müsste er im Rahmen seiner politischen Aktivitäten ständig umherreisen, ließe sich sein gewaltiges Arbeitspensum kaum bewältigen. Schließlich ist der Kardiologe neben seinen Ämtern auch weiterhin ärztlich tätig – wenngleich in stark reduziertem Umfang: „Ich habe nur noch einen halben Sitz und beschäftige außerdem einen Sicherstellungsassistenten, der mir Arbeit abnimmt“, berichtet er. Die drei halben Tage Praxistätigkeit möchte sich Smetak allerdings nicht nehmen lassen: „Ich möchte nicht nur Funktionär sein, sondern das Ohr auch noch an der Basis haben, damit ich persönlich mitbekomme, was zum Beispiel der Wahnsinn mit der Digitalisierung für die Praxen bedeutet.“ Seinen Arbeitstag beschreibt Smetak als eng getaktet, aber – nicht zuletzt dank seines Sekretariats, das seinen Terminkalender pflegt – gut durchorganisiert: „Der Herrgott hat mir zum Glück einen geringen Schlafbedarf mitgegeben, deshalb macht es mir nichts aus, von früh bis spätabends und oft auch an Wochenenden zu arbeiten.“
Smetak ist dankbar für das Erbe, das ihm seine Vorgänger hinterlassen haben – und meint dabei nicht nur das frühere Gesicht von MEDI, Dr. Werner Baumgärtner, sondern auch andere Urgesteine wie Dr. Markus Klett, Dr. Norbert Metke und Dr. Michael Ruland, die den Verein aufgebaut und entscheidend geprägt haben. „Es schmerzt allerdings, dass Ekkehard Ruebsam-Simon mittlerweile verstorben ist. Er gehörte auch zu den Personen, die MEDI zu dem gemacht haben, was es heute ist.“ Für die Zukunft wünscht sich der MEDI-Vorsitzende, dass der Verband seine Größe behalten und ausbauen kann, dass die jüngeren Mitglieder noch mehr Impetus zeigen, um MEDI voranzubringen und dass der gute Teamgeist bei MEDI sowie die gute Zusammenarbeit zwischen dem Verein und der AG erhalten bleiben. „Denn da besteht ein hohes Maß an Vertrauen und Loyalität.“
Antje Thiel