Laut Kassenärztlicher Vereinigung (KV) Baden-Württemberg bekommen die Hausärztinnen und Hausärzte in Baden-Württemberg ihre Leistungen im vierten Quartal 2023 erstmalig seit zehn Jahren nur noch budgetiert vergütet. Der fachübergreifende Ärzteverband MEDI Baden-Württemberg e. V. übt massive Kritik an dieser Budgetierung. Der Vorsitzende von MEDI Baden-Württemberg e. V. und praktizierende Kardiologe Dr. Norbert Smetak spricht von einer „Rolle rückwärts mit fatalen Folgen für die Versorgung“.
„Noch Anfang Januar versprach Herr Lauterbach beim sogenannten Krisengipfel in Berlin, bundesweit die niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzte zu entbudgetieren, was bei uns in Baden-Württemberg, wie in den meisten anderen Bundesländern, eigentlich längst Usus ist. Und plötzlich, nach zehn Jahren, kommt es wieder zu einer Budgetierung. Das ist eine Rolle rückwärts und hat fatale Folgen für die ambulante Versorgung der gesamten deutschen Bevölkerung. Viele Bürgerinnen und Bürger sorgen sich jetzt schon, weil sie keine Arzttermine mehr bekommen“, mahnt Smetak. Die Entbudgetierung der Hausärzteschaft sei auch Bestandteil des Koalitionsvertrags, mit der die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte fest rechnen würden.
Gerade in der aktuellen Situation hat die niedergelassene Ärzteschaft mit massiven Kostensteigerungen durch die Inflation, höheren Materialkosten und steigenden Tarifgehältern der Medizinischen Fachangestellten zu kämpfen. Hinzu kommen laut Ärzteverband die miserablen Verhandlungen des Orientierungswertes im vergangenen Jahr mit unzumutbaren knapp vier Prozent mehr für die ambulante Versorgung. Der Verband weist daraufhin, dass in Baden-Württemberg bereits rund 1.000 Hausärztinnen und Hausärzte fehlen – und das bei zunehmendem Versorgungsanspruch.
„Es kann nicht sein, dass wir Hausärztinnen und Hausärzte am Ende den erhöhten Versorgungsbedarf der Bevölkerung durch Gratisleistungen finanzieren. Die Architektinnen und Architekten bauen auch keine Häuser kostenlos, wenn Gelder für öffentliche Gebäude fehlen. Wir fordern von der Politik, die Budgetierung sofort aufzuheben. Das gilt übrigens auch für die Fachärzteschaft. In Zeiten knapper Ressourcen und des Nachwuchsmangels ist die Budgetierung ein absolut kontraproduktives Signal“, betont Dr. Michael Eckstein, stellvertretender Vorsitzender von MEDI Baden-Württemberg e. V., Mitglied der Vollversammlung der KV Baden-Württemberg und Hausarzt in Reilingen im Rhein-Neckar-Kreis.
MEDI weist in diesem Zusammenhang auch noch mal auf das fehlende Streikrecht bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und Psychotherapeutinnen und -therapeuten hin, für das der Ärzteverband sich seit 2012 juristisch einsetzt. „Wir müssen die gleichen Möglichkeiten haben, unsere Interessen durch Streikmaßnahmen durchzusetzen, wie das aktuell die GDL macht. Wir können nicht jede bittere Pille der Politik einfach immer nur schlucken. Am Ende wird es weiter immer weniger Ärztinnen und Ärzte geben, die überhaupt noch den Schritt in die Niederlassung wagen“, so Smetak.
Tanja Reiners