Die Vorstandswahlen für die KV Baden-Württemberg stehen vor der Tür. MEDI-Spitzenkandidat Dr. Karsten Braun stellt sich zur Wahl, um das Amt von MEDI-Mann und bisherigen KV-Chef Dr. Norbert Metke weiterzuführen. Was schätzt der 53-Jährige an Metke? Was sind seine Stärken und wo will der Orthopäde, Unfallchirurg und Medizinrechtler aus Wertheim anknüpfen? Tanja Reiners hat ihm diese und andere Fragen gestellt.
MEDI: Herr Dr. Braun, welche Eigenschaften schätzen Sie an Ihrem Kollegen Metke besonders?
Braun: Eine KV ohne Norbert Metke kenne ich gar nicht. Norbert hat das Gesicht der KVBW geprägt, solange ich denken kann. Er war einer der MEDI-Gründer und ein echter Wegweiser. Mit seiner integrativen Politik hat er es in der KV geschafft, jahrzehntealte Grabenkämpfe um das Honorar zu beenden. Er hat dafür gesorgt, dass es uns in Baden-Württemberg besser geht als in vielen anderen Ländern. Persönlich beeindruckt hat mich immer seine mitreißende Rhetorik.
MEDI: Was bringen Sie mit für einen zukünftigen KV-Chef?
Braun: Mein 18-jähriger Sohn beginnt bald sein Medizinstudium und ist auf dem Weg zum Arzt in vierter Generation. Unsere Familie steht also seit Generationen mit Leidenschaft hinter dem Arztberuf. Allein deshalb werde ich dafür sorgen, dass der schönste Beruf der Welt attraktiv bleibt. Ich bringe umfassende Erfahrungen aus der Standespolitik mit. Als MEDI-Mitglied habe ich bei der Bezirks- und Landesärztekammer, für die KV und in unserem Berufsverband verschiedene Funktionen und Aufgaben übernommen. Bei der KV bin ich gut vernetzt. Ich kenne die Denk- und Arbeitsweisen durch meine langjährige Mitarbeit in verschiedensten Gremien. Ich habe zusätzlich zu meinem Medizinstudium auch Medizinrecht studiert und einen juristischen Masterabschluss. Die juristische Denkweise hilft mir bei vielen KV-Themen. Bei der Verwirklichung ärztlicher Vorstellungen ist mein Ansatz nicht, zu schauen, ob etwas juristisch möglich ist, sondern zu überlegen, wie etwas möglich gemacht werden kann. Ich bringe also auch eine Portion Pragmatismus mit.
MEDI: Sie sind seit vielen Jahren MEDI-Mitglied und engagieren sich für den Verbund in verschiedenen Funktionen. Was macht MEDI für Sie aus?
Braun: Das entscheidende Alleinstellungsmerkmal von MEDI ist die Partnerschaft und kooperative Koexistenz von Hausärztinnen und Hausärzten mit Fachärztinnen und Fachärzten und den nicht-ärztlichen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten – von ambulant und stationär. Die KV unter Norbert Metke hat gezeigt, wie Kollektiv- und Selektivvertrag gewinnbringend nebeneinander existieren können. MEDI ist einfach besser für alle!
MEDI: Wo werden Sie bei einem Wahlsieg unmittelbar anknüpfen?
Braun: Die Zeiten für eine neue KV-Führung werden deutlich schwieriger. Wir stehen vor einem Milliardendefizit der GKV, was Honorarverhandlungen erschweren wird. Über den Ärztemangel konnte man bisher überwiegend nur reden. In der neuen Amtsperiode bekommen wir da die volle Breitseite. Die Themen Ambulantisierung, sektorenübergreifende Versorgung, Notfallversorgung und Patientensteuerung werden weitere große Baustellen, genauso wie das leidige Thema Regresse. Aktuell gilt es, Lösungen zu suchen für die Flutwelle der Einzelfallprüfungen. Für all diese Themen sind wir mit einem KV-Vorstand aus den Reihen von MEDI in der bewährten Koalition mit dem Hausärzteverband und verschiedenen Facharztverbänden sehr gut aufgestellt.
MEDI: Die Digitalisierung wird auch weiterhin eines der wichtigsten Themen der kommenden Jahre sein. Warum kommen wir da nicht richtig voran?
Braun: Wir müssen bei der Digitalisierung mehr mitgestalten, sonst werden wir von anderen digitalisiert. Heraus kommen dann „Lösungen“ wie die derzeitige TI, die weder den anwendenden Ärztinnen und Ärzten noch den Patientinnen und Patienten nutzt und Geld vergeudet. Wenn Anwendungen überzeugend gestaltet sind, ist kein Zwang nötig. Langfristig steckt hinter erfolgreicher Digitalisierung so viel mehr als die TI.
MEDI: Nächstes Megathema: der Ärztemangel. Wie begeistern wir junge Menschen für den Ärzte- und Ärztinnenberuf und auch für die eigene Niederlassung?
Braun: Eine definitive Lösung des Themas Ärztemangel können langfristig nur mehr Medizinstudienplätze bringen, das schlägt aber auch erst frühestens in zwölf Jahren zu Buche. Ärztliche Leistung wird in Gesellschaft und Politik derzeit ideell und materiell zu wenig wertgeschätzt. Die Rahmenbedingungen für den Arztberuf müssen wieder so attraktiv werden, dass die Freiberuflichkeit junge Ärztinnen und Ärzte in die Niederlassung lockt. In der Zwischenzeit hilft nur die Delegation an qualifizierte Mitarbeitende unter ärztlicher Leitung und mit telemedizinischer Unterstützung.
MEDI: Die Selektivverträge sind eine echte Errungenschaft von MEDI. Wie soll es da weitergehen?
Braun: Die Weiterentwicklung der Selektivverträge ist eine Sache der jeweiligen Vertragspartner. Die KV kann dabei nur unterstützen, indem die Bereinigungsmechanismen fair gestaltet werden. Eine größere Rolle serviceorientierter KVen sehe ich als Abrechnungsdienstleister für ihre Mitglieder: Die KV kann einfache Abrechnungen mit der ohnehin zu erstellenden Quartalsabrechnung bieten. Persönlich wünschen würde ich mir Facharztverträge für alle Fachgruppen und mit mehr Krankenkassen als bisher.
MEDI: Wie sieht eine faire und adäquate Vergütung aus, die der Verantwortung und Arbeitsbelastung der Ärzteschaft gerecht wird?
Braun: Das Neubauer-Gutachten der KV Bayerns hat schon 2015 eindrucksvoll belegt, dass ärztliche Leistungen in den Praxen unterfinanziert sind. Nach meiner persönlichen Auffassung darf es in einer Praxis keinen wie auch immer gearteten Arzt-Patienten-Kontakt geben, der nicht wenigstens 15 Euro einbringt. Und das ohne Budgets oder andere Begrenzungen. Ein neuer EBM muss endlich mal ohne den Zwang der Punktsummenneutralität gestaltet werden. Davon sind wir meilenweit entfernt und ein solcher Ansatz erfordert einen grundsätzlichen Systemwandel, der nur mit Geduld und Ausdauer zu realisieren ist. Einzelleistungsvergütung macht bekanntlich gierig, Pauschale aber faul. Ein guter Kompromiss ist das Vergütungssystem im Selektivvertrag. In diese Richtung sollte man auch im KV-System mehr denken.
MEDI: Vielen Dank für das Gespräch.
Tanja Reiners
Über Dr. Karsten Braun
Dr. Karsten Braun arbeitet als Orthopäde und Unfallchirurg mit eigener Praxis seit 2000 in Wertheim. Er tritt als MEDI-Spitzenkandidat bei den KV-Wahlen Baden-Württemberg 2022 an. Seit 2000 ist er Mitglied bei MEDI Baden-Württemberg und übernimmt in dieser Rolle bei der Bezirks- und Landesärztekammer und für die KV verschiedene Funktionen und Aufgaben. Außerdem engagiert er sich im Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). Der 53-jährige Mediziner und Medizinrechtler ist Arzt in dritter Generation und Vater von zwei Kindern.