Ein Unfall auf dem Weg in die Praxis ist normalerweise ein Wegeunfall. Wann muss er der zuständigen Berufsgenossenschaft gemeldet werden? Und welche Besonderheiten sollte man kennen?
Wegeunfall oder Freizeitunfall – diese Frage beschäftigt nicht selten die Gerichte. Die Folgen eines Freizeitunfalls sind Privatsache, ein Wegeunfall ist dagegen über die Berufsgenossenschaft abgesichert. Der Unterschied kann vor allem bei länger andauernden gesundheitlichen Folgen wichtig sein.
Der Versicherungsschutz beginnt erst mit dem Durchschreiten der Haustür. Deshalb ist es kein Wegeunfall, wenn Sie die Wohnungstür abschließen und im Treppenhaus stürzen. Und wie ist es, wenn Sie vor der geplanten Abfahrt das Haus kurz verlassen, um die Straßenverhältnisse zu checken? Das gilt den Gerichten als Freizeitunfall. Es ist auch kein Wegeunfall, wenn der Unfall auf dem Umweg durch den Park passiert. Versichert ist nämlich nur der direkte Weg zur Arbeitsstelle. Anders wird die Situation gewertet, wenn der Unfall im Rahmen eines zwingend notwendigen Umwegs passiert, zum Beispiel, weil Sie Ihr Kind zur Tagesmutter bringen.
Und wenn der Unfall beim Spaziergang in der Mittagspause passiert? Das hessische Landessozialgericht entschied (AZ L 9 U 208/17), dass es sich nur dann um einen Wegeunfall handelt, wenn der Spaziergang aufgrund einer besonderen betrieblichen Arbeitsbelastung zur Fortsetzung der Arbeit erforderlich war.
Was tun?
Angenommen, Sie rutschen kurz vor der Praxis aus und knicken um – autsch. Sie humpeln in die Praxis, informieren die Chefin über das Missgeschick und werden zum Durchgangsarzt geschickt. Der stellt fest, dass es sich zum Glück nur um eine üble Zerrung handelt und schreibt Sie erstmal für eine Woche krank. Diese AU-Bescheinigung ist rechtlich bedeutsam: Wenn ein Arbeits- oder Wegeunfall zu einer AU-Bescheinigung von mehr als drei Tagen führt, ist eine Meldung an die zuständige Berufsgenossenschaft (BG) vorgeschrieben. In Ihrem Fall ist das die BG für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Auf der Homepage (www.bgw-online.de) finden Sie das Formular zur Meldung von Unfällen.
Vorteil BG-Klinik
Schlimmere Folgen von Wegeunfällen werden in BG-Kliniken behandelt. Das kann für Sie echte Vorteile gegenüber der Behandlung als Freizeitunfall per Chipkarte haben. Im SGB V ist bekanntlich festgelegt, dass die gesetzliche Krankenversicherung Behandlungskosten nur dann übernimmt, wenn sie wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig sind. Die gesetzliche Unfallversicherung hat dagegen laut SGB VII den Auftrag, die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen. Manche Leistungen, die von der Krankenversicherung nicht übernommen werden, übernimmt die Unfallversicherung.
Psychische Traumata
Falls Sie auf dem Weg zur Arbeit psychisch traumatisiert werden, zum Beispiel weil Sie einen furchtbaren Unfall mit ansehen, gilt auch dies als Wegeunfall. Auch psychische Traumatisierungen während der Arbeit fallen in den Zuständigkeitsbereich der BG und sollten so früh wie möglich gemeldet werden.
Ruth Auschra