Shit happens. Auch in der Praxis!

4. April 2022

Es passiert halt manchmal: Beim Einparken rammt man einen Pfosten, eine Vase fällt um und zerbricht oder das Blumenwasser landet in den Tiefen der Tastatur. Muss eine MFA für solche Missgeschicke haften, wenn sie während der Arbeit passieren?

„Kommt drauf an“, sagt Rechtsanwältin Yasmin Schönberger und erklärt, dass zwar grundsätzlich jeder für die Schäden haften muss, die er oder sie verursacht. Bei der Haftung von Arbeitnehmern, die während ihrer Tätigkeit einen Schaden verursacht haben, gibt es allerdings eine Besonderheit: Die Höhe ihrer Haftung richtet sich in erster Linie nach dem Verschuldensgrad.

Bei der Beurteilung wird zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden, wobei die Fahrlässigkeit in verschiedene Stufen unterteilt wird. Es macht vor dem Arbeitsgericht also einen großen Unterschied, ob die teure Vase versehentlich umgestoßen wurde oder ob die MFA sie ihrem Chef im Streit vor die Füße geworfen hat.

Fahrlässigkeit
Ist der Schaden Folge einer leichten Fahrlässigkeit, dann muss der Arbeitnehmer nicht für die Folgen haften. Gemeint ist eine geringfügige oder leicht entschuldbare Pflichtverletzung, ein Versehen, das jedem passieren kann.

Eine mittlere Fahrlässigkeit liegt aus arbeitsrechtlicher Sicht vor, wenn es zu einem Schaden gekommen ist, weil die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet wurde. In solchen Fällen wird die MFA an der Haftung beteiligt. „Über die Höhe der Haftung ist damit noch nichts gesagt“, erklärt die Juristin. „Bei der Festlegung des Haftungsanteils des Arbeitnehmers müssen alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden“. Es zählt also nicht nur der Grad der Fahrlässigkeit, sondern auch die Höhe des Schadens im Verhältnis zum Verdienst. Die persönlichen Verhältnisse der MFA werden ebenfalls berücksichtigt, zum Beispiel das Alter, die Dauer der Praxiszugehörigkeit und die  Familienverhältnisse.

Wer grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich einen Schaden herbeigeführt hat, muss meistens dafür aufkommen. „In solchen Fällen handelt es sich definitionsgemäß um besonders schwerwiegende und unentschuldbare Pflichtverletzungen“, fasst Schönberger zusammen. Wer angetrunken einen Unfall mit dem Firmenwagen baut, handelt typischerweise grob fahrlässig. Anders ausgedrückt: Eine grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn man in der Praxis diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die jedem anderen eingeleuchtet hätte. Der Arbeitgeber muss beweisen, dass der oder die Angestellte tatsächlich grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat.

Selbst bei grober Fahrlässigkeit sind für die Mitarbeiterin Haftungserleichterungen nicht ausgeschlossen. Vor Gericht wird häufig die Frage zu klären sein, ob die Schuld nur bei dem Angestellten liegt oder ob die Praxisführung eine Mitschuld trägt. Die Rechtsanwältin erinnert daran, dass der Arbeitgeber die Pflicht hat, das Personal einzuarbeiten. Außerdem muss der Arbeitgeber entweder zumutbare und übliche Versicherungen abschließen oder die Angestellten so stellen, als seien solche abgeschlossen. Falls die Arbeitgeberseite eine Mitschuld trägt, haften beide Seiten anteilig.

Juristische Beratung
Um unnötigen Streit zu vermeiden, sollte der Arbeitgeber die Versicherungsbedingungen seiner Berufshaftpflicht- oder Elektronikversicherung studieren: Ist fahrlässiges Handeln der Mitarbeiter eingeschlossen? Die MFA kann prüfen, ob ihre private Haftpflichtversicherung eventuell für den Schaden aufkommt.

Je ernsthafter der Vorwurf und je höher die im Raum stehenden Kosten, desto wichtiger ist eine juristische Beratung, am besten rechtzeitig vor Beginn einer juristischen Auseinandersetzung.

Ruth Auschra

Social Media

Folgen Sie uns auf unseren Plattformen.

Aktuelle MEDI-Times

MEDI-Newsletter

Mit dem kostenfreien MEDI-Newsletter informieren wir Sie regelmäßig über aktuelle Themen und die neuesten Angebote. Bleiben Sie mit uns auf dem Laufenden!

Die Datenschutzerklärung habe ich zur Kenntnis genommen und bin damit einverstanden.*

Auf Facebook kommentieren!

„Diabetologische Leistungen sind im EBM nur unzureichend abgebildet“

Wachsende Patientenzahlen, steigende Anforderungen an die Therapie und fehlende Finanzierung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) stellen diabetologische Schwerpunktpraxen (DSP) bundesweit vor große Herausforderungen. Wer sich in Baden-Württemberg dem MEDI-Diabetologievertrag angeschlossen hat, ist deutlich besser dran. Der Diabetologe Dr. Richard Daikeler erläutert die Stärken des Vertrags – und erklärt, warum er den Protest der Kolleginnen und Kollegen bundesweit unterstützt.

Neues Konzept zur ambulanten Weiterbildung: „Das ist eine Investition in die Zukunft“

Neues Konzept zur ambulanten Weiterbildung: „Das ist eine Investition in die Zukunft“

Mehr ambulante Angebote, weniger Fokus auf die Kliniken – wohin die Reise bei der Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin gehen soll, ist eigentlich klar. Doch der Weg dorthin gestaltet sich allzu oft holprig. Ein neues Konzept von Young MEDI unter der Federführung der Allgemeinmedizinerin Dr. Christine Blum und des Orthopäden Dr. Ferdinand Gasser soll das ändern und die ambulante Weiterbildung attraktiver und zugänglicher gestalten.

Elektronische Patientenakte: MEDI fordert deutliche Verschiebung für sicheren Start –Scharfe Kritik an intransparenter Kommunikation des BMG

MEDI Baden-Württemberg e. V. fordert eine deutlich längere Testphase für die elektronische Patientenakte (ePA) und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf, den Start der ePA realistisch und transparent anzupassen. Die Bedenken der Anbieter der Praxisverwaltungssysteme (PVS) müssten ernst genommen werden. Die aktuelle Kommunikation des BMG zur Zeitplanung sorge für Verwirrung bei der niedergelassenen Ärzteschaft.