Es kann schnell passieren: Eine Information zu einem Patienten über eine bekannte Patientin im Ort – und schon hat man das Privatgeheimnis verletzt. Das kann schwere rechtliche Folgen haben. Denn die ärztliche Schweigepflicht gilt für das gesamte Praxisteam. MEDI-Rechtsexpertin Angela Wank erklärt die Lage.
MEDI: Gilt die Schweigepflicht für MFA im gleichen Maße wie für Ärztinnen und Ärzte?
Wank: Ja, das Strafgesetzbuch bindet die MFA in Paragraf 203 Absatz 3 als einen bei Ärztinnen und Ärzten „berufsmäßig tätigen Gehilfen“ gleichermaßen in die Schweigepflicht mit ein.
MEDI: Was passiert, wenn MFA die Schweigepflicht nicht einhalten?
Wank: Hält eine MFA die Schweigepflicht nicht ein, so sieht Paragraf 203 Absatz 4 Satz 1 im Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor. Es stellt also nicht nur eine berufliche Pflichtverletzung dar, sondern begründet auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit, die das gleiche Strafmaß nach sich zieht wie bei einem Arzt, der sich nicht an die Schweigepflicht hält.
MEDI: Was fällt überhaupt unter die Schweigepflicht? Und wem gegenüber müssen MFA schweigen?
Wank: Im Strafgesetzbuch wird von Verletzung von Privatgeheimnissen gesprochen. Im Grunde fallen unter die Schweigepflicht alle Geheimnisse, die der MFA im Rahmen ihrer Berufsausübung anvertraut oder bekannt werden, auch über den Tod der Patientinnen und Patienten hinaus. Das gilt selbstverständlich auch gegenüber der eigenen Familie. Nach Paragraf 9 der Berufsordnung (BO) der Landesärztekammer Baden-Württemberg gehören dazu auch schriftliche Mitteilungen und Aufzeichnungen von Patientinnen und Patienten, Röntgenaufnahmen und sonstige Untersuchungsbefunde.
MEDI: Wann dürfen MFA ihre Schweigepflicht brechen?
Wank: Die Schweigepflicht gilt nicht, sofern eine Mitteilung gegenüber Arbeitskollegen oder dem behandelnden Arzt aus dienstlichen Gründen erfolgt, oder sofern die MFA von der Schweigepflicht entbunden worden ist. Sie darf auch dann gebrochen werden, wenn die Offenbarung zum Schutze eines höherwertigen Rechtsgutes erforderlich ist oder wenn gesetzliche Aussage- und Anzeigepflichten bestehen.
MEDI: Wer kann von der Schweigepflicht entbinden?
Wank: Nur der betroffene Patient oder die betroffene Patientin. Eine Ausnahme kann nur über eine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht erteilt werden. Die Schweigepflichtentbindung kann mündlich oder schriftlich erfolgen. Aus Beweisgründen sollte sie jedoch nach Möglichkeit schriftlich erfolgen. Die Entbindung von der Schweigepflicht kann auch direkt gegenüber der MFA erfolgen. Meist gilt eine Schweigepflichtentbindung gegenüber der ganzen Praxis, das heißt gegenüber allen dort tätigen und informierten Personen.
MEDI: Müssen alle MFA eine Verpflichtungserklärung auf die Schweigepflicht unterschreiben?
Wank: Ja, denn nach Paragraf 9 Absatz 4 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg haben Ärztinnen und Ärzte dafür zu sorgen, dass mitwirkende Personen schriftlich zur Geheimhaltung verpflichtet werden.
Tanja Reiners