Berlin (pag) – Demographischer Wandel und Multimorbidität ziehen immer komplexere Arzneimitteltherapien und Multimedikation nach sich. Mehr Koordination, IT-Einsatz und Nutzenstudien sind daher unerlässlich. So lautet das Fazit einer Veranstaltung des Vereins zur Förderung der Arzneimittel-Anwendungsforschung (VFAA) und der Robert Bosch Stiftung.
„Oft fehlt den Ärzten das Wissen über beschleunigt zugelassene Medikamente durch unabhängige Forschung. Das ist ein Problem“, sagt Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Zu wenige unabhängige Studien zum Zusatznutzen würden durchgeführt. Und nur wenige Arzneimittel seien Innovationen, bei denen der Zusatznutzen offensichtlich ist. Neuere Erkenntnisse über den Nutzen von Medikamenten müssten bei den Ärzten handhabbar ankommen. Die Einführung eines Arztinformationssystems sei daher unerlässlich.
Zur Vermeidung von negativen Wechselwirkungen und für eine bessere Zuweisung an geeignete Ärzte brauche es einen Koordinator, sagt Dr. Liselotte Ferber vom Verein zur Förderung der Arzneimittel-Anwendungen (VFAA). „Wichtig wäre eine Unterredung mit den mitbehandelnden Ärzten, um ein Gesamtkonzept für die Arzneimitteltherapie zu erarbeiten“.
Dr. Ulrich Weigelt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, sieht den Hausarzt in der Rolle des Koordinators. Schon heute würde dieser über die hausärztlich zentrierte Versorgung 50 Prozent der chronisch Kranken behandeln. Über 50 Prozent aller chronisch Kranker sei ferner multimorbid. Mit dem neu eingeführten freiwilligen Primärarztsystem sei die pharmakologische Fortbildungsqualität der Ärzte deutlich verbessert worden. Über ein rechnergesteuertes System würden Ärzte zudem vor negativen Wechselwirkungen bei Multimedikation gewarnt.
Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller, konstatiert, dass sich in 40 Jahren Anwendungsforschung viel positiv verändert habe. Koordination und Kooperation der Akteure spielten heute eine größere Rolle. Auch nach der Zulassung von Arzneien leiste die Pharmaindustrie ihren Beitrag – etwa mit dem seit 2006 herausgegebenen Arzneimittelatlas. Aktuell werde ein digitales Gebrauchsinformationssystem für Beipackzettel entwickelt. (Foto: pag)