Das Thema Gesundheitspolitik findet im Wahlkampf zwischen Migration und Wirtschaft leider viel zu wenig Aufmerksamkeit. Deshalb hat MEDI mit der politischen Sprechstunde ein eigenes Format entwickelt, um Politikerinnen und Politikern die prekäre Situation von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten im persönlichen Gespräch in den Praxen aufzuzeigen.
„Wir haben 43 Politikerinnen und Politiker von Bündnis 90 / Die Grünen, SPD, FDP und CDU/CSU angeschrieben und in verschiedene Praxen unserer Mitglieder eingeladen. Neben den Spitzenkandidaten und Kanzlerkandidaten haben wir die gesundheitspolitischen Sprecherinnen und Sprecher auf Bundes- und Landesebene sowie die Bundestagsabgeordneten aus den jeweiligen Wahlkreisen der beteiligten Praxen eingeladen. Daraufhin haben wir fünf Zusagen von Politikerinnen und Politikern aller Parteien erhalten“, berichtet Jill Sayer von der MEDI-Unternehmenskommunikation. Sie hat die Aktion federführend organisiert.
Die ersten Gäste waren Heike Baehrens, MdB und gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion sowie die SPD-Bundestagskandidatin Franziska Blessing (SPD) aus Göppingen. Die beiden Politikerinnen tauschten sich in der politischen Sprechstunde am 3. Februar 2025 mit Orthopädin und Young MEDI-Sprecherin Iris Lasser in ihrer Praxis aus. MEDI-Vorsitzender Dr. Norbert Smetak war mit dabei. „Mit dem Format konnten wir einen ganz anderen Austausch erzielen – sehr viel persönlicher. Wir haben die prekäre Versorgungslage der Niedergelassenen der Politik nähergebracht und konstruktiv Argumente ausgetauscht“, fasst Smetak die Gespräche zusammen.
Grünen-Chefin Brantner zu Besuch in MEDI-Praxis
„Ich habe mich gefreut, dass die beiden Politikerinnen sich die Zeit genommen haben, uns Niedergelassenen einfach mal zuzuhören. Mir ist in dem Gespräch aber noch mal klar geworden, dass unser Gesundheitssystem so komplex ist, dass es auch viele Politikerinnen und Politiker gar nicht in der Tiefe verstehen. Die Umsetzung von Vorgaben und Gesetzen aus Berlin sind für uns häufig nicht praktikabel und gehen an der Realität vorbei, auch wenn sie scheinbar gut gemeint sind. Das wurde in dem Gespräch für mich noch mal sehr deutlich. Auch wenn nicht in allen Punkten Einigkeit bestand, stand der respektvolle Austausch im Mittelpunkt. Ein besonders intensives Diskussionsthema war für mich die Terminvergabe. Ich habe das derzeitige Terminservicegesetz kritisiert, weil es in der Praxis nicht die gewünschte Wirkung entfaltet“, erzählt Lasser.
Einen Tag später war Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90 / Die Grünen), MdB, parlamentarische Staatssekretärin im BMWK sowie Bundesvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen zu Gast bei Frauenärztin und MEDI- Vorstandsmitglied Dr. Christiane von Holst in Heidelberg. Bei diesem Termin stand die Entbudgetierung der Fachärzteschaft im Vordergrund. Brantner zeigte sich überrascht über die geringen Budgets, die Gynäkologinnen beispielsweise für Schwangere erhalten. Zudem berichtete von Holst über die Schwächen der ePA. Der Ärztenachrichtendienst hat über diesen Besuch umfassend berichtet. Den Beitrag können Sie hier lesen. Auch die Rhein-Neckar-Zeitung war vor Ort und hat über die politische Sprechstunde bei von Holst und dem Orthopäden und stellvertretenden MEDI-Vorsitzenden Dr. Bernhard Schuknecht in ihrer Printausgabe auf einer ganzen Seite berichtet.
„Es gab bei Frau Brantner durchaus einige Aha-Momente. Vor allem, als ich ihr die Budgetierung detailliert schilderte. Da zeigte sie sich sichtbar überrascht. Auch die zunehmende Verunsicherung der Patientinnen, die mit immer mehr Fragen und Ängsten durch falsche Aufklärung über das Internet zu mir kommen, erstaunte die Grünen-Chefin. Ich habe Frau Brantner zudem über die großen Schwächen der ePA aufgeklärt. Leider hatte Frau Brantner nur 30 Minuten Zeit, aber ich habe mich gefreut, dass sie trotzdem gekommen ist und konnte ihr einige gravierende Probleme von uns Niedergelassenen näherbringen“, erzählt von Holst.
Selektivverträge als Blaupause für ganz Deutschland
Am 14. Februar 2025 kam dann der Bundestagsabgeordneter Alexander Föhr (CDU) in die politische Sprechstunde von Dr. Bernhard Schuknecht. Föhr ist Experte in Sachen Gesundheitspolitik. Viele Jahre war er für die Kommunikation und Politik bei der AOK Baden-Württemberg zuständig, in der aktuellen Regierung ist er Mitglied des Gesundheitsausschusses.
„Das war ein sehr angenehmes Gespräch. Herr Föhr kennt die Herausforderungen von uns Niedergelassenen. Wir haben uns intensiv über die Budgetierung ausgetauscht und den zunehmenden Ärztemangel. Ich habe ihm gesagt, dass wir Niedergelassenen jegliche Wertschätzung vermissen – ideell und monetär. Dass viele ältere Kolleginnen und Kollegen keine Freude mehr an ihrem Beruf haben und früher in Rente gehen. Ich habe ihm die Selektivverträge als Blaupause für ganz Deutschland ans Herz gelegt. Wir haben aber auch intensiv über die ePA mit all ihren Schwächen gesprochen. Herr Föhr hat viel Verständnis gezeigt und unseren Wunsch, Herrn Lauterbach als Gesundheitsminister nicht noch einmal aufzustellen, mit nach Berlin genommen“, fasst Schuknecht das Gespräch zusammen.
Förderung der ärztlichen Freiberuflichkeit
Am vergangenen Montag bekam Hausärztin und MEDI-Vorstandsmitglied Dr. Cathérine Hetzer-Baumann Besuch von Jochen Haußmann (FDP), Landtagsabgeordneter und gesundheitspolitischer Sprecher der FDP/DVP-Landtagsfraktion Baden-Württemberg und von dem Landtagsabgeordneten Dennis Birnstock (FDP) aus dem Wahlkreis Nürtingen. MEDI-Chef Smetak begleitete das Gespräch. „Die beiden Politiker waren fast zwei Stunden in meiner Praxis, das hat mich positiv überrascht. Sie hatten ein offenes Ohr für uns Niedergelassene und sind sich darüber bewusst, dass wir rund 90 Prozent der Versorgung stemmen. Sie haben großes Verständnis für die Förderung der ärztlichen Freiberuflichkeit gezeigt. Wir haben natürlich über alle wichtigen Kernthemen gesprochen, wie die Entbürokratisierung oder die Patientensteuerung, aber auch über die ePA und die Sicherung der digitalen Infrastruktur, sodass Praxen auch in kritischen Situationen handlungsfähig bleiben. Sie waren uns sehr wohlgesonnen. Am Ende habe ich ihnen noch mit auf den Weg gegeben, dass es wichtig ist, dass Politikerinnen und Politiker selbst in einem Beruf vorher gearbeitet haben sollten, weil häufig der Bezug zur Praxis einfach fehlt – was wir Ärztinnen und Ärzte deutlich spüren“, erzählt Hetzer-Baumann nach der politischen Sprechstunde.
Weichenstellung für die Gesundheitspolitik nach der Wahl
Auch Dr. Michael Preusch (CDU), MdL, Gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Baden-Württemberg nahm sich viel Zeit bei der letzten politischen Sprechstunde mit Dr. Timo Hurst, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Leonberg und MEDI-Mitglied, um tiefere Einblicke in die aktuelle Lage der Niedergelassenen zu erhalten.
„Anhand von Beispielen und zum Teil konkreten, belegbaren Zahlen meiner Praxis hat Herr Preusch tiefe Einblicke gewonnen, die ihn teilweise trotzdem noch überrascht haben – wie beispielsweise die Auswirkungen der Quotierung. Wir haben über die zwingend nötige Entbudgetierung, fehlende Patientensteuerung, missglückte Digitalisierung und Entbürokratisierung gesprochen. Aber auch über die notwendige Aufhebung der ideologischen Grenzen zwischen Klinik und Praxen. Es war ein äußerst angenehmes und konstruktives Gespräch“, berichtet Hurst.
„Natürlich befinden wir uns im Wahlkampf und alle haben sich uns gegenüber sehr wohlwollend gezeigt, aber es gab durchaus Unterschiede bei den Parteien in den Bewertungen unserer Forderungen. Für uns war es wichtig, unsere Versorgungslage vor Ort deutlich zu machen und das ist uns mit diesem Format sehr gut gelungen. Wir werden künftig den direkten Kontakt zu den Politikerinnen und Politikern und unseren Ärztinnen und Ärzten weiter ausbauen“, resümiert Smetak die Aktion. Vor allem nach der Wahl müsse man auf die neue Regierung zugehen, damit die Weichen für eine neue Gesundheitspolitik gestellt werden – und das am besten gemeinsam mit denen, die jeden Tag in diesem System arbeiten.
Tanja Reiners