Der fachübergreifende Ärzteverband MEDI Baden-Württemberg e. V. fordert eine deutlich längere Testphase für die elektronische Patientenakte (ePA) und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf, den Start der ePA realistisch und transparent anzupassen. Die Bedenken der Anbieter der Praxisverwaltungssysteme (PVS) müssten ernst genommen werden. Die aktuelle Kommunikation des BMG zur Zeitplanung sorge für Verwirrung bei der niedergelassenen Ärzteschaft.
„Seit Juni fordert MEDI vehement eine deutlich längere Testphase für die ePA. Spätestens jetzt müsste mittlerweile auch dem BMG endlich klar sein, dass der bundesweite Rollout Mitte Februar nicht eingehalten werden kann, nachdem die Anbieter der Praxisverwaltungssysteme (PVS) ihre Bedenken deutlich gemacht haben“, mahnt Dr. Norbert Smetak, Vorsitzender von MEDI Baden-Württemberg e. V. und selbst praktizierender Kardiologe.
Zum Hintergrund: In einem Brief an den Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e. V. schrieb Dr. Susanne Ozegowski, Leiterin der Abteilung Digitalisierung und Innovation im Bundesministerium für Gesundheit, vergangenen Montag: „Der bundesweite Rollout, zusammen mit der Nutzungsverpflichtung der Leistungserbringer, schließt sich erst dann an, wenn die Erfahrungen in den Modellregionen positiv sind.“ Auf LinkedIn hätte Ozegowski jedoch am heutigen Donnerstag noch mal klargestellt, dass es keine Verschiebung des ePA-Starts geben werde.
„Wir fordern das BMG auf, den Start der ePA endlich realistisch zu planen und transparent zu kommunizieren. Die aktuelle Kommunikation über die Medien und über Social Media sorgt für große Verwirrung bei meinen Kolleginnen und Kollegen“, so Smetak. MEDI sieht nach den eigenen vorliegenden Informationen die Verantwortung für die Verzögerung eindeutig bei der gematik. Sie hätte bis heute immer noch keine vollständigen Testumgebungen der ePA für die PVS-Anbieter geschaffen.
„Wir stehen kurz vor der Weihnachtszeit, mitten in einer noch lange anhaltenden Infektwelle und agieren in einem völlig überlasteten Gesundheitssystem. Es ist verantwortungslos, dass ein Mega-Projekt wie die ePA in den Praxen jetzt innerhalb von nur wenigen Wochen umgesetzt werden soll“, mahnt der MEDI-Chef. Ein gelungener Start der ePA würde sich auch auf die künftige Akzeptanz bei den Praxen, aber auch bei den Patientinnen und Patienten positiv auswirken. Für ein milliardenschweres Projekt sei die unrealistische Planung fahrlässig.
Smetak ergänzt, dass auch die Sicherheit der ePA nicht vollständig geklärt sei. Auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) sehe datenschutzrechtlich noch offene Punkte.
Seit September klärt MEDI Praxen sowie Patientinnen und Patienten mit einer eigenen Aufklärungskampagne in Baden-Württemberg über die Risiken der ePA-Nutzung auf. „Wir werden unsere Kampagne so lange fortsetzen, bis wir die elektronische Patientenakte unseren Patientinnen und Patienten mit bestem Gewissen empfehlen können“, sagt der MEDI-Chef. Für den Verband haben die ärztliche Schweigepflicht und der vertrauliche Umgang mit den Gesundheitsdaten der Patientinnen und Patienten oberste Priorität.
Informationen zur ePA-Aufklärungskampagne: https://www.medi-verbund.de/epa/
Tanja Reiners