Der fachübergreifende Ärzteverband MEDI Baden-Württemberg e. V. startet diese Woche eine Aufklärungskampagne in Baden-Württemberg zur elektronischen Patientenakte (ePA). Anfang 2025 soll die ePA bundesweit eingeführt werden. MEDI sieht die kurze Testphase kritisch und viele offene Fragen in puncto Datenschutz und Datensicherheit für Patientinnen und Patienten.
„Ich möchte ganz klar betonen, dass wir die Digitalisierung weder ablehnen noch blockieren. Im Gegenteil: Wir befürworten die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass die elektronische Patientenakte zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht marktreif ist. Darin sehen wir Gefahren“, mahnt Dr. Norbert Smetak, Vorsitzender von MEDI Baden-Württemberg e. V. und praktizierender Kardiologe.
MEDI kritisiert die kurze Testphase der ePA im laufenden Betrieb, die ab 15. Januar 2025 für vier Wochen in einzelnen Regionen in Deutschland getestet werden soll, bevor sie bundesweit ausgerollt wird. „Jahrelang hat die Einführung der Telematikinfrastruktur unsere Praxen lahmgelegt. Allein schon weitere Verzögerungen der Praxisabläufe können wir uns in der aktuellen medizinischen Versorgungslage nicht leisten“, so Smetak. Ferner gebe es zur ePA viele Fragen von besorgten Patientinnen und Patienten. Diese Aufklärungsarbeit sei im laufenden Praxisbetrieb nicht umsetzbar.
Der Ärzteverband sieht neben der Praktikabilität auch viele offene Fragen beim Datenschutz und bei der Datensicherheit. „Wir sind kritisch, ob die vollständige Anonymisierung der Daten wirklich sicher ist und Rückschlüsse auf Personen ausgeschlossen werden können, wie es auch einige Datenschützer befürchten. Zudem wird der Datenzugriff in einem intransparenten europäischen Datenraum schwer nachvollziehbar sein. Denn auch Forschungseinrichtungen oder Firmen sollen künftig auf die Gesundheitsdaten der Patientinnen und Patienten zugreifen können“, erklärt der MEDI-Chef.
Die offenen Fragen zur Praktikabilität und Sicherheit der ePA hat MEDI in einem offenen Brief an die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und einem weiteren offenen Brief an die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) gestellt.
Gemeinsam mit Unterstützung von Expertinnen und Experten hat MEDI diese Woche eine Aufklärungskampagne für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Baden-Württemberg mit Aufklärungsmaterialien für ihre Patientinnen und Patienten gestartet.
Der stellvertretende MEDI-Vorsitzende und Hausarzt Dr. Michael Eckstein und der stellvertretende MEDI-Vorsitzende und Orthopäde Dr. Bernhard Schuknecht, beide praktizierend im Rhein-Neckar-Kreis, haben die Kampagne federführend ausgearbeitet. „Wir sehen wenig kritische Auseinandersetzungen in den öffentlichen Diskussionen zur ePA. Für unsere Kolleginnen und Kollegen, aber auch für unsere Patientinnen und Patienten muss transparent gemacht werden, welche Risiken die ePA zum jetzigen Zeitpunkt birgt. Wir möchten, dass unsere Patientinnen und Patienten sich damit aktiv beschäftigen und entscheiden, ob sie das für sich und ihre Gesundheitsdaten verantworten können. Jeder Patient hat die Möglichkeit, der ePA-Nutzung jederzeit zu widersprechen“, betont Eckstein.
„Unsere Beziehung zu unseren Patientinnen und Patienten basiert auf absolutem Vertrauen. Das ist die Grundlage für eine erfolgreiche Behandlung. Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht genau vorhersagen, wie sich die ePA auch auf unsere ärztliche Schweigepflicht auswirkt, wenn Daten an Dritte weitergegeben werden und entanonymisiert werden können. Das können wir erst nach einer langen Live-Testphase eruieren. Die ärztliche Schweigepflicht hat aber für uns oberste Priorität“, ergänzt Schuknecht.
Informationen zur ePA-Aufklärungskampagne: https://www.medi-verbund.de/epa/
Tanja Reiners