Dr. Florian Grabs übernahm die Praxis seines Vaters in Tauberbischofsheim, nachdem er lange in Garmisch gearbeitet hatte. Die Anziehungskraft der bayerischen Berge war groß, aber mit der Familiengründung änderten sich die Prioritäten und plötzlich stand das liebliche Taubertal wieder im Fokus.
Grabs und seine Frau haben sich während des Medizinstudiums in Heidelberg kennengelernt. Anschließend zog es beide in die Berge, wo sich viele Träume erfüllten. Sie forschte in München zu sportmedizinischen Themen, er absolvierte seine gesamte internistische und gastroenterologische Facharztausbildung in Garmisch-Partenkirchen.
Die Freizeit war ausgefüllt mit Ski- und Mountainbiken. Er erinnert sich gerne an Touren mit dem ersten Prototyp eines E-Mountainbikes, das ein Freund professionell entwickelt hatte: mit einem breiten Grinsen im Gesicht bergauf! Auch Skitouren auf Island oder in Japan sind Erinnerungen, die nicht verblassen werden. „Traumhaft“, sagt er heute noch.
Aus dem Assistenzarzt wurde der Funktionsoberarzt – viel Ehre und Verantwortung, aber lange Arbeitszeiten und keine Chance auf einen Oberarztposten. Dann kam der erste gemeinsame Sohn zur Welt und das Paar sah die berufliche und private Situation mit anderen Augen.
Tauberbischofsheim schlägt München
Der junge Gastroenterologe liebäugelte mit einer Praxis in München. Das hätte – ausreichend Freizeit vorausgesetzt – zwar viele Bergtouren ermöglicht, aber die Nachteile überwogen: Wer kann sich in München eigentlich eine KV-Ablöse plus Familienwohnung leisten? Auch der menschliche Preis mit jahrelangen Abhängigkeiten vom Praxisabgeber war Grabs zu hoch.
Hier kam der Vater, Dr. Rainer Grabs, wieder ins Spiel. Er hatte sich nicht nur beruflich einen reichhaltigen Erfahrungsschatz erarbeitet, sondern war auch berufspolitisch fit und hatte Ideen für die organisatorische Gestaltung der Zukunft – auch ohne 24-Stunden-Dienste. Also lag die Entscheidung für einen Umzug nach Tauberbischofsheim nahe.
Seit April 2019 ist Florian Grabs als Internist mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie im Taubertal niedergelassen. Anfangs waren Vater und Sohn in einer Überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (ÜBAG) niedergelassen, heute in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) in Tauberbischofsheim. „Hier arbeite ich auf Augenhöhe mit meinem Vater und habe einen tollen Patientenstamm“, lacht er und erzählt, dass er viele Patientinnen und Patienten noch aus seiner Kindheit kennt.
Inzwischen arbeitet Grabs junior in großzügigen, modern gestalteten Praxisräumen im Team mit seinem Vater und der angestellten Ehefrau. Man hat sich peu à peu vergrößert, modernisiert und viele technische Einzelheiten angepasst. Zukunftspläne für Erweiterungen gibt es auch. Für die mittlerweile vierköpfige Familie hat die Praxis echte Vorteile: Bis auf die KV-Dienste gibt es keine Wochenend- oder Nachtdienste und die Kinder sind im familiären Umfeld gut versorgt. „Besser geht es nicht“, lacht Grabs, „wir können zu Hause Mittagessen und uns in der Praxis abwechseln.“ Er schätzt es sehr, dass er im Gegensatz zur Klinik seine Arbeitszeit selbst wählen kann. „Ich bin nicht einfach in die Praxis meines Vaters eingestiegen“, erinnert er sich, „wir haben uns gemeinsam weiterentwickelt.“
Vater und Sohn ergänzen sich
Der Senior arbeitet nach wie vor voll in der Praxis. Die Internisten ergänzen sich nicht nur beruflich gut. Florian Grabs` fachliches Interesse liegt bei den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Auf der Homepage findet man den Hinweis auf verschiedene symptomorientierte Sprechstunden, die CED-Sprechstunde ist eine davon. „Da werde ich gerade von Patienten überrannt, das ist zu einem echten Hobby geworden“, schmunzelt er.
Sehr ernst berichtet er dann von Plänen, gemeinsam mit niedergelassenen Kollegen ein digitales Tool für ein KI-basiertes CED-Management zu entwickeln. „Die Erfahrungen älterer Gastroenterologen müssen unbedingt erhalten bleiben, wenn sie in Rente gehen“, fordert er. Noch befindet sich die Idee in der Entwicklungsphase, mittelfristig könnte ein Start-up daraus werden.
Bei MEDI ist Rainer Grabs seit vielen Jahren in der Berufspolitik aktiv, nicht zuletzt als Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender der MEDI-GbR Main Tauber. Man kann sich gut vorstellen, dass dieser kritische Kopf sich auch daheim mit seiner Meinung zum Gesundheitswesen nicht zurückgehalten hat. Ist es da nicht überraschend, dass sein Sohn trotzdem Medizin studiert hat? „Keinesfalls“ lacht Florian Grabs, „er hat zwar viel geschimpft, aber damit hatte er ja Recht!“
Aus dem Stegreif hält er einen schnellen Vortrag über das deutsche Gesundheitswesen, das er als alt und superkomplex bezeichnet. „Diese Unmenge von Regelungen ist irgendwie klassisch deutsch“, findet er – „man hat sich in Einzelheiten verloren, die keiner mehr infrage stellen will.“
Der junge Grabs teilt viele der Kritikpunkte seines Vaters. Die Abschaffung der Neupatientenregelung im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das vor wenigen Jahren zugunsten der Ärzte eingeführt und von der Politik jetzt wieder abgeschafft wurde, ist für ihn ein Unding! Und beim Verteilen von Subventionen geht der ambulante Sektor allzu oft leer aus. Kein Wunder also, dass er bei Young MEDI gelandet ist. „Dieser Zusammenschluss vieler spannender junger Ärztinnen und Ärzte war eine hervorragende Idee“, freut er sich.
„Young MEDI ist eine richtig gute Idee!“
Der Austausch tut gut, die junge Berufspolitik findet er wichtig. Er sieht Versorgungsengpässe auf die Region zukommen, Kooperationen sind für ihn der Königsweg aus dem Dilemma. Andererseits hat er volles Verständnis für Ärztinnen und Ärzte, die keine eigene Praxis übernehmen, sondern als Angestellte arbeiten wollen und müssen.
Die ambulante Versorgung wird seiner Ansicht nach aber von der Politik zu wenig gestärkt. Gerade auch während der Pandemie hätte er sich mehr Unterstützung für die Praxen gewünscht. „Wir sind schließlich das Rückgrat der Versorgung“, erinnert er. Natürlich hat er nichts gegen gute Kliniken, fordert aber nachdrücklich ein Verbot von MVZ-gründenden Heuschrecken, die keine Versorgung gewährleisten.
Angesichts der gestiegenen Tierarzthonorare verkommt die altersschwache GOÄ für ihn zur Lachnummer. Für ihn gibt es sehr viele Dinge, die mit Energie und langem Atem zu tun sind, damit die Ärztinnen und Ärzte nicht zu einem Spielball der Politik werden. „Deshalb muss in der KV etwas getan werden – Abnicken reicht nicht“, weiß Grabs.
Trotz aller Probleme findet er den Arztberuf attraktiv, immer vorausgesetzt, dass man sich nicht völlig verausgaben muss und mit guter Arbeit ein sicheres Einkommen erzielen kann. Andererseits sieht er auch echte Schwächen im Gesundheitssystem, die nur vor Ort gelöst werden können. „Mein Vater hat das alles früh erkannt, heute ziehen wir beide an einem Strang“, sagt er und ergänzt schnell, dass er trotz Beruf und Berufspolitik noch Zeit für die Kinder haben will. Und ein Haus wird auch gerade gebaut. Es gibt viel zu tun, Grabs packt mit an.
Ruth Auschra