Der BFAV und MEDI arbeiten gemeinsam daran, die Rechtswidrigkeit des Honorarabzugs bei Verweigerung des TI-Anschlusses feststellen zu lassen. Ein für den 25. November vorgesehener Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht München in einem der Verfahren gegen die Telematikinfrastruktur (TI) wurde pandemiebedingt abgesagt. Es wäre die bundesweit erste Verhandlung in dieser Angelegenheit gewesen.
„Wir ärgern uns darüber, dass es in dieser Angelegenheit nicht vorangeht, obwohl es sich hier um eine quälende Frage für die Praxen handelt“, erklären BFAV-Klageführer Dr. Gernot Petzold und MEDI-Vorstandsvorsitzender Dr. Werner Baumgärtner. „Dass die Praxen in der Pandemie mit 2,5 Prozent Honorarabzug bestraft werden, weil sie den unsicheren Konnektor nicht installieren wollen und Angst um die Sicherheit der Patientendaten haben, ist ebenfalls eine Frechheit“, betonen sie.
Sowohl in den Verfahren vor dem Stuttgarter Sozialgericht als auch vor dem Sozialgericht München ist nun mit Verhandlungen Anfang 2022 zu rechnen.
Kritik an Sicherheitsmängeln
Unisono kritisierten Baumgärtner und Petzold die vielen Sicherheitsmängel in der TI-Struktur. „Im Hinblick auf den letzten Hackerangriff auf das Softwareunternehmen Medatixx können diese Sicherheitsmängel in der TI für viele Praxisinhaber von existenzieller Bedeutung sein“, gab der BFAV-Vertreter zu bedenken. Er berichtet von Kolleginnen und Kollegen, die aus Sorge davor, gegen bestehende Rechtsformen, wie zum Beispiel die ärztliche Schweigepflicht oder die DSGVO, zu verstoßen, ihre Kassenarztzulassungen zurückgegeben haben oder vorzeitig in den Ruhestand gegangen sind. „Das könnte zur Folge haben, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen die ambulante wohnortnahe Versorgung nicht mehr überall sicherstellen können“, warnt Petzold.
Die Delegiertenversammlung von MEDI Baden-Württemberg am 17. November unterstützte einstimmig alle Resolutionen des 125. Deutschen Ärztetags zur TI und forderte die politisch Verantwortlichen zu einem Neustart einer TI 2.0 auf. „Wir brauchen eine sinnvolle Digitalisierung im Gesundheitswesen, die eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein muss und ohne Zwang und Strafen auskommt“, betont Baumgärtner.
„Arztpraxen sind keine Versuchslabore“
Praxen seien keine Versuchslabore für eine technisch veraltete und unsichere TI. „Wir können keine Haftung übernehmen für Komponenten, die wir unter Zwang in den Praxen installieren müssen, ohne diese prüfen zu können“, erklärt er und ergänzt: „Die TI muss nicht nur im Hinblick auf die Datensicherheit kritisch gesehen werden, auch die Einführung neuer Komponenten wie eAU und eRezept ist mangels Praktikabilität und Funktionsfähigkeit gescheitert.“
MEDI und der BFAV fordern, dass Strafen für TI-Verweigerer sofort zurückgenommen werden sollen, bis die TI 2.0 technisch steht, ausreichend erprobt und sicher ist. Eine weitere Zwangsinstallation der unsicheren Konnektoren in den Praxen wäre angesichts der Probleme, der auslaufenden Konnektorenzertifikate ab 2022 und einer TI 2.0 ohne Konnektoren eine Verschwendung von Steuergeldern.
„Anwendungen wie eAU oder eRezept dürfen erst nach ausreichender Prüfung in die Praxissoftware installiert werden. Die Haftung bei fehlerhaften Lösungen darf nicht den Praxen aufgeladen werden, sondern muss die gematik übernehmen, die für die Technik und die Sicherheit der TI verantwortlich ist“, sind sich Petzold und Baumgärtner einig.