Im April sollte auch in den Hausarztpraxen in Rheinland-Pfalz der Turbo bei den Impfungen gegen COVID-19 gezündet werden. Doch es kam anders: Aller Orten fehlt es an Impfstoff und die Praxen stöhnen unter der Last der Bürokratie. Drei MEDI-Ärzte berichten.
„Wir waren voller Elan“, schildert Dr. Thomas Dambach den Impfstart in seiner Hausarztpraxis im pfälzischen Kandel. Doch der hausärztliche Internist, Geriater und Diabetologe landete schnell auf dem harten Boden der bundesdeutschen Pandemiebekämpfung. Auch einen Monat nach dem Start war in seiner Gemeinschaftspraxis von der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für den Mai angekündigten Flut an Impfstoffen nichts zu sehen. „Es hat bei der Impfstofflieferung immer gehakt“, schildert Dambach das Tagesgeschäft. Gleichzeitig galt es, Woche für Woche Impfstoff zu bestellen, ohne zu wissen, wie viel wirklich geliefert wird, die Impfungen nach der vorgeschriebenen Priorisierung zu organisieren und den damit verbundenen bürokratischen Aufwand zu stemmen.
Hoher Aufwand bei zu geringer Vergütung
„Es gibt viel zu viele Abrechnungsziffern“, kritisiert auch seine Kollegin Dr. Jennifer Demmerle aus Winnweiler im Donnersbergkreis den hohen bürokratischen Aufwand bei den Coronaimpfungen. Pro Impfstoff gebe es sechs Abrechnungsziffern, außerdem müsse täglich an die Kassenärztliche Vereinigung gemeldet werden, wie viele Impfungen mit welchem Impfstoff verabreicht wurden.
Angesichts des enormen organisatorischen Aufwandes sei die Vergütung von 20 Euro pro Impfung „ein Schlag ins Gesicht der Hausärzte“, schimpft Demmerle, die ihre Hausarztpraxis zusammen mit einem Kollegen betreibt. „Im Impfzentrum würde ich mehr verdienen und hätte meine Ruhe“, zieht sie eine ernüchternde Zwischenbilanz des Impfstarts. Während bis zu 1.000 Grippeimpfungen in zwei Monaten in einer Hausarztpraxis möglich seien, würden solche Zahlen bei Corona nach derzeitigem Stand nicht annähernd erreicht.
Wie Demmerle und Dambach impft auch Allgemeinmediziner Thorsten Koech etwa 40 Patientinnen und Patienten pro Woche in seiner Gemeinschaftspraxis in Leiwen an der Mosel. „Mehr geht nicht“, sagt der Vorsitzende von MEDI Trier. Seine MFA seien mit der Organisation der Impftermine „massiv belastet“ und hätten schon viele Überstunden angehäuft. Täglich bis zu 50 telefonische Anfragen zu den Impfungen seien normal.
Die Freigabe der Priorisierung seit dem 7. Juni hält Koech für einen schweren Fehler der Politik. Dies bringe seine Landpraxis, die schon jetzt mit der „normalen Arbeit“ ausgelastet sei, komplett an ihre Grenzen. Koech hofft, dass die zugesagten Lieferungen in den Hausarztpraxen und Impfzentren landen. Die Einmalimpfung von Johnson und Johnson erleichtert laut Koech vieles, besonders für die verbliebenen über 60-Jährigen.
Impfstoffmangel trifft auf Ärztemangel
Sein Kollege Dambach sieht in den Urlaubsmonaten Juli und August keine andere Möglichkeit, als eine „Impfpause“ einzulegen. Vier Allgemeinmediziner hätten ihre Praxen in der Region Kandel im vergangenen Jahr geschlossen und für einen Patientenzuwachs in seiner Gemeinschaftspraxis mit insgesamt drei Ärzten gesorgt. Wenn in der Urlaubszeit die Praxis nur mit zwei Medizinern besetzt sei, müssten die Impfungen ausgesetzt werden, so Dambach. Im September wollen er und sein Team dann wieder einstiegen.
In den Praxen von Jennifer Demmerle und Thorsten Koech soll auch im Juli und August weiter geimpft werden, wenngleich beide Mediziner durchaus mit mulmigen Gefühl auf die Zeit ohne Priorisierung schauen. Immer häufiger würden schon jetzt Patienten „pampig reagieren“, wenn sie nicht zeitnah einen Impftermin bekämen, berichten alle drei Mediziner. Die Aussicht vieler Menschen, durchgeimpft in den Sommerurlaub zu starten, erhöht den Druck auf die Hausarztpraxen.
Was müsste sich ändern, um die Hausärzte zu entlasten? „Mir würde schon mehr Planungssicherheit helfen“, formuliert Demmerle ihren Wunsch, auch wirklich so viel Impfstoff zu bekommen, wie sie in der Woche zuvor bestellt hat. Der Leiwener Hausarzt Koech hofft, dass die Impfstoffhersteller ihre Produktion verändern und anstelle der Fläschchen mit bis zu sieben Impfdosen auf Ein-Personen-Dosen wie beim Grippe-Vakzin umstellen. Das erleichtere spontanes Impfen, was weniger Aufwand bedeutet.
Und alle drei fordern: Weniger Bürokratie! „Wer seinen Arm hinhält, hat bereits sein Einverständnis zur Impfung gegeben“, sagt Koech und verweist auf andere Impfungen wie gegen Grippe oder Tetanus, die seit Jahrzehnten ohne vergleichbaren bürokratischen Aufwand erfolgen.
Martin Heuser