Über 26 Jahre arbeiteten Martin Eschholz und sein Kollege Dr. Martin Wetter in ihrer Praxis in der Gemeinde Schluchsee im Hochschwarzwald zusammen. Kollege Wetter plante in den Ruhestand zu gehen, Eschholz wollte die Praxis übernehmen. Doch dann kam alles anders …
Im Jahr 2019 erlitt Martin Eschholz mit 53 Jahren einen Schlaganfall. Ein großer Einschnitt in seinem Leben – persönlich und beruflich. Eine halbseitige Lähmung von Arm und Hand blieb zurück. Die Praxisübernahme rückte in weite Ferne. Doch Kollege Wetter hatte eine Idee: Er fragte bei MEDI Baden-Württemberg an, ob die Gründung eines MVZ möglich wäre.
„Ich hatte mich mit dem Gedanken am Anfang schwergetan. Als Landarzt hat man eine enge, fast familiäre Beziehung zu den Patienten. Ich hatte Sorge, dass es nicht mehr so gemütlich bleibt“, erzählt Eschholz. Doch der Praxisalltag mit Handicap ist herausfordernd, es muss mehr geplant werden, organisatorische Aufgaben sind mühsamer. Die Idee, aus der Praxis ein MVZ zu gründen, wurde konkreter.
Das Menschliche als wichtigster Erfolgsfaktor
„Die Gründe und Voraussetzungen für eine MVZ-Gründung sind ganz unterschiedlich. Das Wichtigste ist, dass das Team sehr gut harmoniert. Und das war in der Praxis in Schluchsee der Fall – von Anfang an. Das Menschliche ist der wichtigste Erfolgsfaktor für ein MVZ“, weiß Wolfgang Fink, Geschäftsführer der MEDI-MVZ im Südwesten. Das MVZ Schluchsee ist jetzt das siebte MVZ, das er managt.
Eineinhalb Jahre später wurde das MVZ Schluchsee in großen neuen Praxisräumen eröffnet. Martin Eschholz ist jetzt ärztlicher Leiter. Das gesamte Team ist weiter mit an Bord, ein neuer Arzt unterstützt die eingespielte Mannschaft. Im April ist das Team dann mit einer weiteren Ärztin komplett. „Das nächste Krankenhaus ist weit weg. Wir haben mit dem MVZ eine optimale Versorgung vor Ort für Allgemeinmedizin, Innere und geriatrische Medizin, aber auch Notfallmedizin“, erzählt Fink.
Familiäre Atmosphäre im Team
„Ich muss mich jetzt nicht mehr um die Rahmenbedingungen kümmern, aber kann trotzdem meinen Lieblingsberuf ausüben“, freut sich Eschholz. „Das Verhältnis zu den Patienten ist zwar immer noch eng, aber etwas distanzierter. Am Anfang war das gewöhnungsbedürftig, aber man kann sich dadurch auch besser abgrenzen“, erzählt er. Dabei profitiert der Mediziner weiterhin von seinem Team, das ihn sehr unterstützt: „Ich bin auf Hilfe angewiesen – beispielsweise beim Anziehen des Kasacks. Durch die jahrelange Zusammenarbeit mit den MFA besteht ein großes Vertrauen.”
„Wir haben einen wahnsinnig guten Zusammenhalt. Die familiäre Atmosphäre im Team hat sich nicht geändert. Wir haben die Veränderung alle positiv aufgenommen“, bestätigt auch Franziska Keller. Die 22-Jährige ist 2014 in der Praxis als Auszubildende gestartet und mittlerweile leitende MFA im MVZ.
Mehr Kapazitäten für Termine
Was hat sich aus ihrer Sicht verändert? „Wir haben mit acht Behandlungsräumen viel mehr Platz, die Ärzte können gleichzeitig arbeiten. Dadurch haben wir mehr Kapazitäten für Termine. Früher hatten wir zeitweise Aufnahmestopp, jetzt können wir Patienten aus der ganzen Umgebung aufnehmen“, erzählt Keller. Auch die neuen Akutzimmer entlasten das Team in der Pandemie. “Außerdem können wir auf viele Hausbesuche verzichten, weil uns einige Patienten durch die neue Barrierefreiheit wieder eigenständig besuchen können“, freut sich die MFA.
Manche Patienten mussten sich an die Umstellung erst gewöhnen. Viele freuen sich, dass die Praxis nun so schön und groß ist und sie schneller Termine bekommen. Eschholz’ langjähriger Kollege Wetter ist übrigens immer noch an Bord, hat die Gründung mitbegleitet und wird sich bald in den verdienten Ruhestand verabschieden.
Tanja Reiners