Als Vorsitzender der Kreisärzteschaft Rems-Murr Süd hat Dr. Karl-Michael Hess viele Kontakte in Kliniken und Praxen. Das Dauerthema Pandemie macht ihm zwar keine Angst, aber Sorgen macht er sich durchaus. Zum Beispiel, wenn er an die langfristigen Folgen der Covid-19-Infektion denkt.
Wie gehen Ärzte eigentlich mit ihren Ängsten gegenüber der Pandemie um? Hess winkt ab, er sei zum Glück kein ängstlicher Mensch. „Wir hatten keine Angst, aber Sorge“ fasst er zusammen, „und deshalb haben wir sehr schnell damit begonnen, ein Hygienekonzept zu etablieren“. Der Kardiologe praktiziert in einer internistischen Gemeinschaftspraxis mit kardiologisch-nephrologischem Schwerpunkt. Wegen der Dialyse arbeitet die Gemeinschaftspraxis sowieso mit einer externen Hygienebeauftragten zusammen, die maßgeblich an der Entwicklung des Hygienekonzeptes beteiligt war.
Neben den üblichen Maßnahmen findet Hess eine gute Taktung der Patienten wichtig, damit möglichst wenig Kontakte in der Praxis übrigbleiben. Froh ist er auch über die Antigen-Tests für Dialysepatienten, etwa für Heimbewohner, in deren Einrichtung ein Ausbruch stattgefunden haben könnte. Mit dem Schnelltest in Kombination mit dem PCR-Test lassen sich die hochinfektiösen Patienten erkennen, die ihre Dialyse dann in einer Extra-Isolierschicht bekommen.
Shifting und Folgeschäden
Zu den üblichen kardiologischen Patienten kommen aktuell immer mehr Patienten mit Folgeschäden nach einer Covid-19-Infektion hinzu. Hess führt als typische Beispiele Myokarditis oder Fatigue-Syndrom an. Von Kollegen aus dem Krankenhaus hört er ebenfalls, dass sie zunehmend jüngere Patienten mit Post-Covid-Symptomen sehen. Auch die Fachpresse sieht ein Shifting: Es sind längst nicht mehr nur die Senioren mit Vorerkrankungen, die schwere Verläufe haben.
Krisenmanager
Für die gute Unterstützung in der Anfangszeit – Stichwort Versorgung mit Masken und Schnelltests – ist Hess dem MEDI Verbund dankbar. Als Vorsitzender der Kreisärzteschaft Rems-Murr Süd weiß er, dass die Zusammenarbeit zwischen Landrat und Ärzten sehr gut läuft. „Unser Landrat ist ein exzellenter Krisenmanager“, lobt er spontan.
Die höheren politischen Ebenen sieht er da schon kritischer. Die Bundesregierung kann schließlich nur beratend tätig werden, hat also keine echte Handhabe. Und bei der Landespolitik sieht er eine Spanne von blindem Aktionismus bis hin zu übertriebener Sorglosigkeit. „Widersprüchlich, teils chaotisch und insgesamt eher unverständlich“, lautet sein Urteil, „vor allem was das Schließen der Schulen und die Pflicht zum Maskentragen in der Schule angeht“.
Radtouren trotz Gegenwind
Auf der Praxishomepage wird aufgerufen zum Stadtradeln für das Klima – ein Radfahrer? „Nun ja“, gibt Hess zu, „eigentlich ist meine Frau die Radfahrerin, die mich immer wieder zum Mitmachen motiviert“. Die beiden sind seit 34 Jahren ein Paar. Kennengelernt haben sie sich auf Norderney, wo er in den 1980er-Jahren als Assistenzarzt war. „Bis diese freie Friesin mit mir nach Stuttgart kommen wollte, musste ich lange baggern“, lacht er, „aber es hat sich gelohnt“.
Ruth Auschra