„Wir sind für unsere Mitglieder ein finanzielles Risiko eingegangen“

15. Juli 2020

Gleich zu Beginn der Coronakrise zeichnete sich ein eklatanter Mangel an Schutzmaterial für Krankenhäuser und Arztpraxen ab. Während die meisten Praxisinhaber hier berechtigterweise auf ihre KV und die Regierung setzten, wurde der MEDI Verbund, als einziger Ärzteverband in Deutschland, selbst aktiv und bestellte in nur wenigen Wochen über eine halbe Million Atemschutzmasken. Im Interview erzählt Vorstandschef Dr. Werner Baumgärtner mehr über das Hilfspaket für die MEDI-Praxen.

MEDI: Herr Dr. Baumgärtner, wie kam es dazu?

Baumgärtner: Ich erhielt Ende Februar ein schriftliches Angebot eines deutschen Zwischenhändlers für FFP2-Masken, dem ich persönlich nachgegangen bin. Bei der Recherche sind wir dann auf einen weiteren Händler gestoßen, der uns seriös erschien. Wir konnten so der baden-württembergischen Landesregierung schon Anfang März zwei Angebote für mehr als 20 Millionen Masken und 2,5 Millionen Schutzkleidung vermitteln. Es kam dann aber aus uns nicht nachvollziehbaren Gründen nicht zum Abschluss. Für uns konnten wir allerdings aus dem Kontingent und einer weiteren Quelle mehr als eine halbe Million Masken sichern. Problematisch waren die enorm gestiegenen Einkaufspreise und das Risiko der Vorkasse, das wir immer leisten mussten. Ohne diese Risiken hätten wir jedoch keine Schutzmasken bekommen.

MEDI: Wie lief die Verteilung der Masken an die MEDI-Praxen ab?

Baumgärtner: Es war schwierig, eine Ausgaben- und Lieferungslogistik aus dem Stand aufzubauen, denn damit hatten wir keinerlei Erfahrung. Das konnten wir nur schaffen, weil sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Geschäftsstelle in Stuttgart, die sonst nicht im Vertrieb arbeiten, dazu bereit erklärt haben, die Ärmel hochzukrempeln und uns wochenlang bei der Maskenaktion zu unterstützen. Außerdem konnten wir studentische Hilfskräfte für die akute Phase gewinnen.

MEDI: Was kann der MEDI Verbund besser als andere?

Baumgärtner: Wir haben ja mit unserer MEDIVERBUND AG eine Managementgesellschaft im Rücken, die alles Geschäftliche abwickelt und unternehmerisch handelt. Dadurch können wir im Notfall schneller und flexibler handeln als ein Ministerium oder eine Körperschaft. Wir müssen nicht europaweit ausschreiben und können kalkulierbare Risiken eingehen.

MEDI: Von welchen Risiken und Beträgen sprechen wir hier?

Baumgärtner: Die Einkaufspreise für FFP2-Masken lagen im März zwischen 5 und 9 Euro. Dabei lag die Mindestbestellmenge für diese Masken bei 50.000 Stück. Somit kann man sich ausrechnen, wie viel man bei Vorkasse ins finanzielle Risiko gehen musste.

MEDI: Was sollte sich in künftigen Pandemiefällen ändern?

Baumgärtner: Ich bin davon ausgegangen, dass die Ministerien, der Katastrophenschutz und weitere verantwortliche Behörden eine Bevorratung für Krisen haben. Zudem hätten sich die Ministerien in Stuttgart und Berlin darum kümmern müssen, Schutzkleidung zu beschaffen – das ist nicht Aufgabe der KV oder von uns. Deshalb müssen Bund und Länder künftig einen Vorrat anlegen – das rettet Leben und spart Geld. Ob man die Produktion auch in Deutschland halten kann, bezweifle ich, da es völlig offen ist, wann die nächste Krise kommt. Und wer kauft schon Masken teurer ein, nur weil sie in Deutschland produziert werden? Hier wäre eher eine europäische Lösung angebracht.

MEDI: Wie hätte es besser laufen müssen?

Baumgärtner: Ich gebe zu, ich habe den Verlauf der Infektion in China anfangs auch falsch eingeschätzt. Man hatte andere Virusepidemien im Kopf, zuletzt die Schweinegrippe, die dann milder abliefen als erwartet. In Kenntnis der Studie des RKI von 2012 hätte man aber früher Abstandsregelungen und insbesondere eine Maskenpflicht einführen müssen. Zudem hätte man mehr testen müssen. Bis heute fehlt eine bundesweite Stichprobe darüber, wer immun und wer infiziert ist, mit Symptomen und ohne. Wir sind also bis heute im Blindflug unterwegs. Wir hatten Glück und einige wenige Politiker, die konsequent gehandelt haben.

MEDI: Die Atemschutzmasken waren der Anfang. Kurze Zeit später konnten MEDI-Praxen auch Einmalschutzkleidung und -handschuhe, Desinfektionsmittel und Schutzbrillen bestellen. Haben Sie damit ein neues Geschäftsfeld aufgetan?

Baumgärtner: Zunächst einmal konnten wir den Praxen notwendige Ausrüstung liefern, dabei haben wir neue Kontakte geknüpft. Wichtig sind zukünftig zwei Dinge: erstens auch bei Engpässen liefern zu können und zweitens immer die bestmöglichen Preise für unsere Mitglieder zu bekommen. Hier stehen wir im Wettbewerb mit Dritten, aber unsere Mitglieder wissen, dass die Gewinne unserer Managementgesellschaft in neue MEDI-Projekte fließen und die freiberuflichen Praxen am Markt stärken.

Das komplette Interview lesen Sie hier (auf Seite 8 ff).

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