MEDI-Ärzte organisieren Drive-In für Abstriche

11. März 2020

Arztpraxen werden im Augenblick von der Corona-Krise überrollt: gleichzeitig noch Grippe-Patienten, ein Mangel an Schutzausrüstung und die Gefahr von Praxisschließungen. In dieser Situation bauen die beiden neuen Freudenstädter MEDI-Vorsitzenden Dr. Wolfgang von Meißner und Paul Blickle ein Testzentrum für den Landkreis auf. Wie haben sie das hingekriegt?

MEDI: Herr Dr. von Meißner, Patienten mit begründetem Verdacht auf Coronavirus können im Kreis Freudenstadt außerhalb der Arztpraxen getestet werden. In einer Tiefgarage! Wie konnte die Idee mit dem Drive-In zum Testen so schnell realisiert werden?

von Meißner: Am Dienstag hatten wir eine regionale Sitzung zur Corona-Situation – niedergelassene Ärzte, Landrat, Gesundheitsamt und Klinikärzte. Wir mussten feststellen, dass es im ganzen Landkreis zeitnah keine Möglichkeit geben wird, Abstriche durchzuführen. Damit wollten wir uns nicht zufriedengeben. Deshalb haben der Geschäftsführer der MEDI-MVZ, Wolfgang Fink, mein Kollege Paul Blickle und ich dann über Nacht diese Idee ausgearbeitet.

MEDI: Wie sieht der Ablauf aus?

von Meißner: Auf unserer Homepage www.ärzte-vorort.de ist ein Anamnesebogen für Hausärzte zum Download. Damit lassen sich begründete Verdachtsfälle identifizieren. Diese werden mit Überweisungsschein per Fax bei uns angemeldet. Auf dem Schein sind auch die Kontaktdaten der Patienten enthalten, also Handy-Nummer und E-Mail-Adresse. Unsere MFA bereiten alles vor, nehmen mit ihnen Kontakt auf und teilen einen Termin und den Ort zum Abstrich mit. Mit dieser guten Vorbereitung haben wir am Montag 32 Abstriche durch die Seitenscheibe der PKW in zwei Stunden durchgeführt. Und das ohne Wartezeit für die Patienten!

MEDI: Sie haben keine Einzelpraxis, sondern kooperieren als ‚Hausärzte am Spritzenhaus‘ eng mit den MEDI-MVZ. Spielt das für die Umsetzung eine Rolle?

von Meißner: Auf jeden Fall. Nur durch die volle Unterstützung der Geschäftsführung der MEDI-MVZ konnten wir so schnell diesen Anmeldeprozess entwickeln. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem MEDI-MVZ ‚Ärzte am Reichenbach‘ haben ihre Unterstützung für die kommenden Wochen zugesagt.

MEDI: Der wichtigste Vorteil besteht darin, dass in den Praxen normal weitergearbeitet werden kann, oder?

von Meißner: Ja, wir sehen die Gefahr, dass das Coronavirus eine Quarantäne der Praxis oder zumindest einzelner Mitarbeiter auslöst. Eine Praxisschließung wollen wir unbedingt verhindern. Gleichzeitig müssen wir chronisch kranke oder sehr alte Patienten, also die Hochrisikogruppe, unbedingt vor Infektionen schützen. Und auch das Personal soll natürlich nicht gefährdet werden. Deshalb ist es sinnvoll, dass begründete Verdachtsfälle nicht in der Praxis getestet werden.

MEDI: Haben Sie ausreichend Desinfektionsmittel, Schutzkleidung und Atemschutzmasken?

von Meißner: Nein. Auch deshalb ist es vernünftig, die Patienten en bloc im Drive-In zu testen. Da kann ich in einer Schutzausrüstung bei einer ganzen Reihe von Menschen einen Abstrich machen, nur die Handschuhe muss ich natürlich wechseln. Das spart Zeit und Ressourcen!

MEDI: Wie gelingt es Ihnen, die richtigen Patienten für einen Abstrich zu identifizieren?

von Meißner: Die überweisenden Hausärzte führen ja die Anamnese durch und identifizieren die begründeten Verdachtsfälle. Dabei fordern wir die Einhaltung der Kriterien des Robert Koch-Instituts. Einige Patienten wünschen einen Abstrich, um Gesundheit zu beweisen. Ich muss ganz klar sagen, dass das keinen Sinn macht. Wenn jemand heute negativ getestet wird, kann er – Stichwort Inkubationszeit – morgen positiv sein. Die Laboruntersuchung und das ganze Testverfahren sind viel zu aufwändig, um solche Gefälligkeitstestungen durchzuführen, die dann im Ergebnis bedeutungslos sind oder sogar eine falsche Sicherheit vermitteln. Die begrenzten Laborkapazitäten müssen den kranken Patienten vorgehalten werden.

MEDI: Könnte dieses Modell überall nachgeahmt werden?

von Meißner: Prinzipiell ja. Dieser ganze Prozess ist allerdings für eine Einzelpraxis nicht sinnvoll. Ärztenetze oder andere ärztliche Gemeinschaften könnten unser Modell selbstverständlich übernehmen. Sehr gerne sogar! Man benötigt nur mehrere kooperierende Hausärztinnen und Hausärzte plus eine Praxis, die die Koordination übernimmt.

 MEDI: Meinen Respekt – und bleiben Sie gesund!

 

Ruth Auschra

 

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