Zu Anna gehört Assistenzhund Jojo, den sie aus mehreren Gründen braucht. Sie ist 1. schwerst mehrfach traumatisiert (Traumafolgestörungen), 2. Autistin, hat 3. ein Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) und 4. Anaphylaxien. Das EDS verursacht verschiedene Komorbiditäten, vor allem aber luxierende Gelenke und Schmerzen, sodass zu ihrem Alltag Opiate, Muskelrelaxanzien und Rollstuhl oder Rollator gehören. Und Jojo!
Jojo als Helfer
Der große weiße Pudel hilft ihr beim Aufräumen oder leert die Waschmaschine, unterwegs unterstützt er sie beim Gehen, Stehen oder schiebt den Rollstuhl kurz an. Wenn sie Krämpfe und Schmerzen hat, legt sich der Hund auf ihre Beine. Jojo kann Anaphylaxien erkennen und anzeigen. Dann bringt er ihr das Notfallset und drängt sie zur Einnahme der Medikamente. „Er ist mein Lebensretter“, sagt Anna. Der Hund hilft ihr auch gegen Angst, Unsicherheit, Reizüberflutung und Kommunikationsprobleme.
Warum kann ausgerechnet ein Tier Traumapatienten unterstützen? Anna erinnert daran, dass es Menschen waren, die sie traumatisiert haben. Wenn eine intime psychische Unterstützung durch Menschen nicht mehr möglich ist, kann die Beziehung zu einem Tier auf einer ganz anderen Ebene stattfinden. „Ohne Jojo bin ich teilweise kaum in der Lage, mit Menschen zu sprechen“, sagt sie. Es ist allerdings nicht für jeden sichtbar, wie wichtig der Hund für die junge Frau ist. Das wird zum Problem, wenn Anna und Jojo zum Beispiel eine Arztpraxis betreten.
Nach anfänglichen Diskussionen darf Jojo mittlerweile zur Hausärztin, der Urologin und dem Schmerzdoc mitkommen. Bei ihrem neuen Kardiologen musste sie nichts erklären, der kannte sich aus. Auch die Bereitschaftspraxis und Annas „Stamm-Notaufnahme“ haben sich an das Duo gewöhnt. Sie warten im Wartezimmer und gehen gemeinsam in den Behandlungsraum. Ab und an bekommt Jojo, auch Kuschelschäfchen genannt, noch eine Streicheleinheit vom Personal, was ihn sehr erfreut. In anderen Praxen läuft es leider nicht so gut.
Die rechtliche Situation
Immer wieder müssen Patienten mit Assistenzhunden dafür kämpfen, dass sie ihren Hund mitnehmen dürfen. In Österreich gibt es ein Assistenzhunde-Gesetz, in Deutschland ist die rechtliche Situation weniger eindeutig. Allerdings wird das Verbot, den Assistenzhund mitzunehmen, als Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gewertet. Entsprechende Stellungnahmen gibt es etwa vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Assistenzhunde dürfen in Lebensmittelgeschäfte) oder der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern und in Gesundheitseinrichtungen.
Hund in der Praxis
Assistenzhunde sind gut erzogen, viel besser als „normale“ Hunde. Sie bringen also nicht bellend Unruhe in die Praxis, sie urinieren nicht ins Wartezimmer oder bedrohen andere Menschen. Zu ängstlichen Patientinnen und Patienten oder Hundeallergikern können Assistenzhunde und ihre Halter, je nach den räumlichen Bedingungen, möglichst viel Abstand halten. Ideal ist natürlich ein Termin ganz zu Anfang oder am Ende der Sprechstunde.
Ruth Auschra