Evaluation belegt: Deutlich weniger Todesfälle im AOK-Kardiologievertrag

2. Oktober 2019

Eine vom GBA-Innovationsfonds geförderte Evaluation zeigt in ihren aktuell vorliegenden Ergebnissen bereits für einen Zeitraum von zwei Jahren eine signifikant höhere Überlebensrate bei Versicherten mit chronischer Herzinsuffizienz (HI) und koronarer Herzkrankheit (KHK). Die Hochrechnung weist 267 vermiedene Todesfälle bei den selektivvertraglich Versicherten mit HI und 343 bei Versicherten mit KHK aus.

Außerdem treten deutlich weniger Krankenhauseinweisungen auf und leitlinienempfohlene Medikamente wie Cholesterin- und Blutdrucksenker werden häufiger verordnet. Diese Vorteile im Haus- und Facharztprogramm gehen zudem mit niedrigeren Gesamtkosten einher.

Die Wissenschaftler führen die Unterschiede auf die verbindliche Versorgungssteuerung, eine intensivere Patientenbetreuung und höhere Qualitätsanforderungen für die beteiligten Ärzte zurück. Die Vertragspartner sehen sich auf ihrem 2008 gestarteten Weg einer qualitätsorientierten ambulanten Vollversorgung mit maßgeschneiderten regionalen Strukturen bestätigt.

Ergebnisse kommen nicht unerwartet

„Der Überlebensvorteil zugunsten der Patienten im Haus- und Facharztprogramm kommt nicht unerwartet, beeindruckend ist die Effektstärke im Vergleich zur Regelversorgung“, so Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt/Main. „In den bisherigen Evaluationen zum AOK-Hausarztvertrag konnten wir schon feststellen, dass sich die Qualitätsschere von Jahr zu Jahr zugunsten der HZV öffnet und nach fünf Jahren sahen wir einen Trend zu einer Verringerung der Sterblichkeit für alle Teilnehmer.“

Die Vorteile ergäben sich wahrscheinlich aus dem Zusammenspiel vertraglicher Steuerungsinstrumente – unter anderem zur Optimierung der Arzneimitteltherapie, in Bezug auf die Steuerung von Arztkontakten und der Vermeidung unnötiger Krankenhauseinweisungen sowie höherer Qualitätsanforderungen an die beteiligten Haus- und Fachärzte. „Herzpatienten mit einem höheren Sterberisiko profitieren von den Überlebensvorteilen erwartungsgemäß deutlich stärker und bereits nach wesentlich kürzerer Zeit“, so Gerlach.

Hohe Anforderungen an teilnehmende Mediziner

Das Haus- und Facharztprogramm setzt systematisch an bekannten Versorgungsdefiziten wie etwa der alleinigen Versorgung eines schwer herzinsuffizienten Patienten durch den Hausarzt oder in einer kardiologischen Praxis mit nicht ausreichender technischer Ausstattung an. Teilnehmende Kardiologen müssen deshalb als Qualitätsnachweis unter anderem pro Quartal 150 Ultraschalluntersuchungen, davon mindestens 100 Echokardiographien, nachweisen. Vertraglich sind indikationsspezifische Versorgungsziele festgelegt und daraus abgeleitete Diagnose- und Therapiepfade anhand der gültigen Leitlinienempfehlungen.

Neben einer obligatorischen kardiologischen Abklärung der Diagnose werden auch die Kontrollintervalle beim Kardiologen festgelegt. Patienten mit Herzinsuffizienz können so, je nach Schwere der Erkrankung, deutlich häufiger gesehen werden. „In der Regelversorgung haben Ärzte mit vielen schweren Fällen dagegen oft ein betriebswirtschaftliches Problem“, so Dr. Werner Baumgärtner, Vorstandsvorsitzender von MEDI Baden-Württemberg und MEDI GENO Deutschland. „Die Folge sind oft unnötige und teure Krankenhauseinweisungen. Im Kardiologievertrag ist die Vergütung dagegen morbiditätsorientiert angepasst – für schwere Fälle gibt es entsprechend eine bessere Honorierung. Im Gegensatz zum Kollektivvertrag wird auch jeder Behandlungsfall bezahlt und nicht bei Überschreitung eines Budgets einfach gestrichen“, ergänzt Baumgärtner.

Chronisch Kranke profitieren

Die Diagnose „Herzinsuffizienz“ ist bundesweit der häufigste Grund für einen stationären Krankenhausaufenthalt, Tendenz steigend. Die Evaluation zeigt, dass innerhalb von zwei Jahren bei HI-Patienten 1068 und bei KHK-Patienten 1128 Klinikeinweisungen vermieden wurden. Die Vertragsstrukturen unterstützen explizit die notwendige Lotsen- und Koordinierungsfunktion des Hausarztes, um speziell chronisch Kranke und multimorbide Patienten nicht stationär, sondern primär ambulant vor Ort zu behandeln.

Laut Evaluation liegt die Überweisungsquote im Facharztvertrag Kardiologie bei nahezu 100 Prozent, in der Kontrollgruppe der Regelversorgung bei lediglich zwei Drittel. Der Hausarzt ist in der HZV außerdem zu vollständigen Begleitbriefen verpflichtet, der Kardiologe zu einem zeitnahen ausführlichen Facharztbrief. Wichtig ist auch das softwaregestützte Medikamenten­-Management als zentrale Schnittstelle zwischen Haus- und Facharzt. Hausärztinnen und -ärzte nehmen zudem vier Mal pro Jahr an Qualitätszirkeln zur leitliniengerechten Arzneimitteltherapie teil.

Derzeit sind 5.000 Haus- und Kinderärzte und 2.500 Fachärzte (davon 219 Kardiologen) und Psychotherapeuten in die Verträge der AOK Baden-Württemberg eingeschrieben. Sie verantworten die Versorgung von 1,65 Millionen HZV-Versicherten und mehr als 700.000 Versicherten im gemeinsamen Facharztprogramm der AOK Baden-Württemberg und Bosch BKK.

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