John Lennon sagte einmal: „Leben ist das, was passiert, während du dabei bist, andere Pläne zu machen.“ Aus beruflicher und privater Erfahrung kennt Dr. Bernhard Schuster, Allgemeinarzt und Psychotherapeut in Kirchheim/Teck, dieses Phänomen ganz gut.
Schuster ließ sich 1986 in Kirchheim nieder, indem er die Praxis eines 76 Jahre alten Kollegen kaufte. Sie war bezahlbar, hatte allerdings nur 300 Scheine pro Quartal. Das war ein Nachteil, der durch langfristige Planung ausgeglichen werden musste. Schuster wollte nämlich eine Gemeinschaftspraxis gründen. Um die Praxis für neu einsteigende Kollegen interessanter zu machen, musste er die Scheinzahl deutlich erhöhen. Er arbeitete viel, bot neben Allgemeinmedizin (mit Sonografie und Belastungs-EKG) auch Gynäkologie, Schwangerenvorsorge und Proktologie an.
Mit Papa auf Hausbesuch
„Wenn ich abends um halb zehn Uhr zu Hause war, war das früh“, erzählt er. Wochentags sah er seine Kinder kaum. Und wenn sie am Wochenende etwas mit ihm unternehmen wollten, begleiteten sie ihn auf der Hausbesuchsrunde. Offenbar war diese Erfahrung für die Kinder nicht abschreckend. Ein Sohn ist inzwischen Facharzt für Dermatologie, eine Tochter Psychotherapeutin. „Vielleicht haben sie ja damals bemerkt, wie erfüllend dieser Beruf ist und wie viel Lebenssinn er stiftet“, vermutet Schuster.
Zu zehnt in einer Gemeinschaftspraxis
Heute ist aus seiner Praxis eine Gemeinschaftspraxis geworden. Im Kirchheimer „HausÄrzteHaus“ teilt er sich die Arbeit mit neun Kolleginnen und Kollegen. Neben den Partnern gibt es eine angestellte Ärztin und mehrere Weiterbildungsassistenten. Das organisatorische Konzept der großen Praxis ist ungewöhnlich. In dem über 300 Jahre alten Fachwerkhaus erstreckt sich die Praxis über zwei Stockwerke und gliedert sich in zwei räumlich getrennte Bereiche: In der Bestellpraxis bietet der persönliche Hausarzt Termine zur kontinuierlichen Betreuung an.
Bei akuten Problemen bekommen die Patienten dagegen kurzfristige Termine in der Akutpraxis – entweder sofort, am selben oder nächsten Tag. Das funktioniert, weil jeder Arzt im HausÄrzteHaus auf die elektronische Patientenakte zugreifen kann.
Gründungsmitglied der MEDI-GbR Nürtingen
Neben der Tätigkeit als Arzt fand Schuster auch noch Zeit, sich im MEDI Verbund zu engagieren. Der feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Stolz erinnert sich der Mediziner daran, mit wie viel Engagement sich die Kollegen zur MEDI-GbR Nürtingen zusammenschlossen. „Das war lange Zeit die größte und engagierteste GbR“, weiß er.
Seit Jahren ist er außerdem Mitglied des erweiterten Vorstands von MEDI Baden-Württemberg und des beratenden Fachausschusses Psychotherapie in der KV. „Ich identifiziere mich nach wie vor mit den MEDI-Zielen.“ Wichtig ist ihm die gemeinschaftliche Interessenvertretung von Haus- und Fachärzten einschließlich der Psychotherapeuten ohne Verfolgung von Partikularinteressen. Es war damals, in den Anfangszeiten der Praxis, extrem frustrierend für den Hausarzt, mit regelrechten Verteilungskämpfen einzelner Ärztegruppen konfrontiert zu werden.
Musterklage TI-Konnektor
Aktuell beteiligt er sich zudem an der Musterklage gegen den TI-Konnektor. Ihn persönlich ärgert es besonders, dass in seiner BAG längst ein Patientenausweis entwickelt wurde. Dieser enthält alle Diagnosen, sämtliche Medikamente und auch wichtige anamnestische Daten. Der Patient bekommt seinen Ausweis und kann selbst entscheiden, an wen er seine sensiblen Daten weitergeben möchte. Im Rahmen der Telematikinfrastruktur sind die Daten dagegen online. „Keiner weiß, wer auf welche Daten tatsächlich Zugriff hat“, warnt er und ergänzt: „So untergräbt man das Vertrauen zwischen Arzt und Patienten.“
Überzeugt von der alternativen Versorgung
In seiner BAG wird nur noch ein Sechstel des Umsatzes über die KV generiert, der Rest kommt aus den Hausarzt- und Facharztverträgen. Schuster selbst ist kaum noch hausärztlich tätig, er hat vor allem Patienten aus dem PNP-Vertrag. Im HausÄrzteHaus arbeiten aktuell 15 MFA, davon haben mehr als die Hälfte eine Qualifikation als VERAH. Es überrascht nicht, dass auf der Praxishomepage über die HZV informiert wird – und zwar in wohltuender Offenheit: „Durch Teilnahme an dieser hausarztzentrierten und, wo angeboten, fachärztlichen Versorgung tun Sie sich selbst und uns etwas Gutes.“
Der Psychotherapeut
Schwerpunktmäßig bietet Schuster Gruppen- und Einzeltherapien für Menschen mit psychischen Problemen an. Er ist ausgebildet in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie, Gestalttherapie, Gruppen- und Familientherapie sowie Traumatherapie. Und auch in seiner Freizeit hat er jahrelang aktiv den Arbeitskreis Leben unterstützt, eine Initiative für suizidgefährdete Menschen und solche in Lebenskrisen.
Die Beziehung zu seinen Patienten beschreibt er mit dem Begriff „Bergführer“. Er möchte den Patienten mitnehmen auf eine therapeutische Beziehungswanderung in eine Gegend, die der andere bisher nicht kennengelernt hat. Ein Bild, das gut mit Schusters sportlichen Hobbys harmoniert. Der Kirchheimer liebt es, in den Bergen unterwegs zu sein. Er geht gern joggen, steigt jeden Tag auf sein Motorrad, fährt Ski und Snowboard, surft, segelt und taucht.
Nicht zu vergessen spielt natürlich die Familie eine zentrale Rolle in seinem Leben. „Ich lebe einfach total gern“, bricht es mit einem ansteckenden Lachen aus ihm heraus.
Ruth Auschra