„Wir haben noch viel vor“

17. April 2019

Vor 20 Jahren brachten 12 niedergelassene Ärzte aus Stuttgart die MEDI-Idee ins Rollen und erreichten damit Tausende Kolleginnen und Kollegen in Deutschland. In unserem Blog erinnert sich Dr. Werner Baumgärtner an die größten Erfolge und gibt Ausblicke auf künftige Herausforderungen und Ziele.

MEDI-Blog: Herr Dr. Baumgärtner, was bedeuten 20 Jahre MEDI für Sie persönlich?

Baumgärtner: Ich hätte mir 1999 nicht vorstellen können, was aus MEDI einmal wird, und schon gar nicht, dass ich 20 Jahre später immer noch an der Spitze stehe (lacht). Es gab natürlich Höhen und Tiefen während dieser Zeit. Heute beneiden uns bundesweit Ärztinnen und Ärzte, aber auch Verbände dafür, dass wir in Baden-Württemberg neben dem Kollektivvertrag auch attraktive Hausarzt- und Facharztverträge haben. Darauf können wir stolz sein und die Entwicklung ist ja noch nicht zu Ende.

MEDI-Blog: Also alles in allem ein gutes Gefühl?

Baumgärtner: Absolut, sonst hätte ich nicht so lange durchgehalten. Wer 20 Jahre das wirtschaftliche Risiko trägt, sich keine Fehler leisten darf und dessen Tag mit MEDI beginnt und endet, muss mit Freude und Überzeugung arbeiten. Führen macht nicht nur Spaß – man braucht auch Glück und Mitstreiter, die einen unterstützen und denen man vertrauen kann. Das alles hatte und habe ich.

MEDI-Blog: Was sind für Sie die fünf wichtigsten Meilensteine der letzten 20 Jahre?

Baumgärtner: Die Freundschaft mit Norbert Metke, der einen überragenden Job in der KV Baden-Württemberg macht, und mit unserem früheren AG-Vorstand Werner Conrad, der mir in allen wirtschaftlichen Fragen zur Seite gestanden hat und von dem ich viel gelernt habe. Dazu viele ärztliche Vorstände und Mitstreiter, die von unserem Konzept überzeugt waren und sich nicht an mir profilieren wollten.

Außerdem arbeite ich sehr gut und vertrauensvoll mit unserem langjährigen AG-Vorstand Frank Hofmann zusammen, der seit einem Jahr von Dr. Wolfgang Schnörer unterstützt wird. Auch die Gründung unseres Dachverbands MEDI GENO Deutschland und die vielen früheren Ärzteproteste sind Meilensteine. Davon übrig geblieben ist unsere Klage für ein Streikrecht ohne Zulassungsentzug.

Ein Meilenstein ist mit Sicherheit auch, wie sich unser Verbund nach den Protesten weiterentwickelt hat: zu einem erfolgreichen politischen Verband und Unternehmen mit unterschiedlichen Projekten – sei es das MVZ-Konzept „Arztpraxen 2020“, unser Praxis- und Sprechstundenbedarf, unsere Fortbildungen oder unser MEDI-Institut IFFM.

Ein Quantensprung war natürlich die Vertragspartnerschaft mit dem AOK-Vorsitzenden Dr. Christopher Hermann und dem Landeschef des Hausärzteverbands Dr. Berthold Dietsche bei den Hausarzt- und Facharztverträgen.

MEDI-Blog: Und welche Niederlagen waren für Sie besonders schmerzhaft?

Baumgärtner: Die schlimmste war 2005. Damals kam im Zuge der KV-Fusion in Baden-Württemberg ein unfähiger KV-Vorsitzender ins Amt. Weil im Vorfeld gelogen und betrogen wurde, bin ich nicht zur Wahl angetreten, obwohl ich persönlich und unsere Kandidaten ein tolles Wahlergebnis erzielt hatten: Von 50 Delegierten der Vertreterversammlung waren 23 MEDI-Mitglieder! Es war hart, mitansehen zu müssen, wie unsere erfolgreiche Honorarpolitik in Nordwürttemberg in nur einer Amtsperiode verspielt wurde und geschätzt 600 Millionen Euro Honorar im Land verloren gingen, die uns heute noch fehlen.

2010 verlor ich gegen Dr. Andreas Köhler bei der KBV-Wahl. Das war für mich auch nicht schön, weil es eine chancenlose Kandidatur war und es nur darum ging, einen Alternativkandidaten zu stellen. Das Ende der Ära Köhler kennen wir ja. Wie man zum Schluss aber mit ihm umgegangen ist, war nicht in Ordnung.

Die letzte Niederlage ist erst ein Jahr her, als wir unsere IT-Tochter Doc.star aufgeben mussten. Dennoch wollen wir eine eigene Praxissoftware auf den Markt bringen.

MEDI-Blog: Welche Ziele möchten Sie mit MEDI kurz- und mittelfristig erreichen?

Baumgärtner: Wir müssen die jungen Ärztinnen und Ärzte als Mitglieder und für das fachübergreifende Denken und Handeln gewinnen. Wir dürfen die Freiberuflichkeit nicht aufgeben – auch wenn nicht jeder Arzt oder jede Ärztin selbstständig sein kann und will. Wir möchten deshalb in Baden-Württemberg nach dem Vorbild unseres Konzepts „Arztpraxen 2020“ 30 Freiberufler-MVZ gründen, die in der Hand niedergelassener Ärztinnen und Ärzten sein werden. Dort sollen jungen Kolleginnen und Kollegen die Arbeit und der Einstieg in die Selbstständigkeit erleichtert werden.

Außerdem möchten wir Facharztverträge bundesweit ausrollen. Dazu werden wir mit anderen Ärzteverbänden kooperieren. Wir brauchen aber auch eine im SGB V festgelegte Förderung der Facharztverträge. Während die SPD die Hausarztverträge unterstützt, gibt es aus der Union zwar positive Signale, aber bisher keinerlei Unterstützung für Facharztverträge. Und wir wollen eine eigene Abrechnungssoftware für Facharztverträge und, wie schon gesagt, ein eigenes Arztinformationssystem.

MEDI-Blog: Wie wird Ihrer Meinung nach die Versorgung in der Praxis in zehn Jahren aussehen?

Baumgärtner: Es wird noch viele selbstständige Praxen geben, allerdings in größeren Einheiten oder als MVZ, denn gerade für die Nachbesetzung hat diese Rechtsform formale Vorteile. Haus- und Fachärzte werden enger zusammenarbeiten müssen, auch mit Kliniken, Notfallpraxen oder Pflegeeinrichtungen. Unsere Selektivverträge sind so angelegt. Wie ich vorhin angesprochen habe, wollen wir keine Dominanz von Kliniken oder Kapitalgesellschaften als Träger. Da können wir nur mit einer starken Managementgesellschaft gegenhalten.

MEDI-Blog: Und was bietet MEDI seinen Mitgliedern, damit ihre Praxen mit dieser Entwicklung Schritt halten können?

Baumgärtner: Wir tun alles, um die Politik und die Gesetzgebung für die Interessen unserer Mitglieder und unsere Projekte zu gewinnen. Das ist meine wichtigste Arbeit in Berlin und im Land. Nach Jahren des Aufbaus bietet unsere MEDIVERBUND AG den Mitgliedern ein ganzes Portfolio an Unterstützung. Die Leistungen und Projekte findet man auf unserer Homepage, im Blog und auf unseren Social-Media-Kanälen. Unser Ziel waren immer ein starker politischer Verein und dahinter eine funktionierende Managementgesellschaft. Das haben wir erreicht.

MEDI-Blog: Worin unterscheidet sich MEDI von anderen Ärzteverbänden?

Baumgärtner: Wir sind eigenständig und brauchen keine KV- oder Kammerförderung. Im Gegensatz zu anderen Verbänden gehen unsere Ziele weit über die der KV oder der Kammern hinaus. Trotzdem sind wir in beiden Körperschaften hörbar vertreten, weil die Auswirkungen der dortigen Entscheidungen für uns oft sehr wichtig sind. In Baden-Württemberg leiten Norbert Metke, ein MEDI-Mann, die KV und Wolfgang Miller, der ebenfalls zu den MEDI-Gründern zählt, die Landesärztekammer. Und das in einer Zeit, in der die Ärzte immer weniger fachübergreifend denken! Darauf sind wir stolz.

MEDI-Blog: Im Juni wird in Baden-Württemberg der MEDI-Vorstand neu gewählt. Werden Sie kandidieren?

Baumgärtner: Ja, für weitere vier Jahre.

MEDI-Blog: Herr Dr. Baumgärtner, vielen Dank für das Gespräch.

Das ausführliche Interview lesen Sie in der neuen MEDITIMES.

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