Wegen des zunehmenden Ärztemangels gestaltet sich eine geplante Praxisnachfolge oft schwierig. Im Südwesten macht inzwischen so mancher Praxisinhaber die Erfahrung, dass die Teilnahme am Selektivvertrag die eigene Praxis für den ärztlichen Nachwuchs attraktiver macht.
Dass sich die Facharztverträge der AOK und der Bosch BKK für die teilnehmenden Praxen offenbar wertsteigernd auswirken, bestätigen nicht nur Sachverständige für die Bewertung von Arztpraxen. Auch Praxisinhaber, die eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger suchen, machen diese Erfahrung.
Neue Patienten aufnehmen
Der bundesweit erste Facharztvertrag nach § 73c SGB V für Orthopäden, Unfallchirurgen und Chirurgen, der 2014 vereinbart wurde, habe sicher dazu beigetragen, „dass unsere Praxis in einem guten Licht erscheint“, berichtet der Orthopäde Dr. Günther Paulsen, der seinen Vertragsarztsitz am 1. April seinem Nachfolger übergeben hat.
Der Selektivvertrag bringe der Praxis nicht nur ein höheres Honorar als normal. „Wir können auch Patienten neu aufnehmen, die wir im KV-System wegen der Budgetierung nicht bezahlt bekämen“, erklärt der 67-Jährige, der seit 1989 in Eppingen im Landkreis Heilbronn niedergelassen war und Ende September ganz aus der Praxis ausgeschieden ist.
Wichtiges Standbein
Paulsens Nachfolger in der Praxis für Orthopädie und Unfallchirurgie ist Benjamin Menger. Der 38-Jährige war zuletzt Oberarzt der Abteilung für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wirbelsäulenchirurgie im Klinikum am Plattenwald, Bad Friedrichshall.
„Dass die Praxis am Orthopädievertrag teilnimmt, hat sich auch in den betriebswirtschaftlichen Analysen, die im Zusammenhang mit der Praxisübernahme vorgenommen wurden, positiv niedergeschlagen“, berichtet Menger, der auch MEDI-Mitglied ist. Es sei deutlich geworden, dass die Praxis gut aufgestellt und der Orthopädievertrag ein wichtiges Standbein ist.
„Viele unserer Patienten kommen über die Hausärzte in der Umgebung wegen unspezifischer Rückenschmerzen in die Praxis“, berichtet Menger. Im Vergleich zur budgetierten kassenärztlichen Versorgung sei die Honorierung für die Versorgung dieser Patienten gut gelöst. „Man kann die Patienten öfter sehen, also auch ausführlicher beraten, und bekommt das auch vergütet“, sagt Menger.
Vorteil für die Praxisnachfolge
Teamstrukturen und Teilzeitarbeitsplätze haben für junge Ärzte erfahrungsgemäß einen hohen Stellenwert. „Die bessere Vergütung ohne Abstaffelung in den Selektivverträgen erleichtert nicht nur solche Organisationsformen, sondern verschafft gut etablierten Praxen darüber hinaus auch einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bei der Planung der Praxisnachfolge“, betont MEDI-Chef Dr. Werner Baumgärtner.
Jürgen Stoschek