Berlin (pag) – Applaus von den Herstellern, Kritik von den Kassen: Der Plan der EU-Kommission, die Bewertung von Arzneimitteln, bestimmten Medizinprodukten und Diagnostika künftig auf europäischer Bühne spielen zu lassen, sorgt in Deutschland für geteilte Reaktionen.
Gefahr für den Patientenschutz oder ein echter Schritt nach vorn? Der umstrittene Verordnungsentwurf der EU-Kommission sieht einen europäischen Prozess bei der klinischen Bewertung von Medizinprodukten der Risikoklassen IIb und III, In-vitro-Diagnostika, Arzneimitteln mit neuen und zentral zugelassenen Wirkstoffen sowie bei Indikationserweiterungen vor. Nach Angaben des GKV-Spitzenverbands würde das etwa 95 Prozent aller innovativen Medikamente betreffen. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Verbands, Johann-Magnus von Stackelberg, fürchtet, dass in diesem Zuge die Messlatte für neue Medikamente in Deutschland sinken könnte. „Zusammenarbeit der EU-Mitglieder bei der wissenschaftlichen Bewertung von neuen Arzneimitteln ja, aber eine Absenkung des Niveaus durch Vereinheitlichung auf einem niedrigeren Standard nein“, sagt er mit Blick auf das Vorhaben der Kommission. Der Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, stößt in dasselbe Horn. „Die EU-Pläne würden unser bewährtes Verfahren zur Bewertung des Zusatznutzens neuer Arzneimittel und Medizinprodukte aushebeln und den Patientenschutz gefährden“, warnt er.
Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) begrüßen dagegen den Vorstoß. „Einheitliche Anforderungen bei der klinischen Bewertung von Arzneimitteln werden den Patientenzugang zu innovativen Arzneimitteln in Europa verbessern und Komplexität und Kosten für Arzneimittel-Hersteller verringern“, prophezeit BAH-Hauptgeschäftsführer Martin Weiser. Wichtig sei jedoch, dass die Preisgestaltung in nationaler Hand bliebe, um lokale Besonderheiten in der Versorgung berücksichtigen zu können. Und vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer ergänzt: „Von der jetzt beginnenden Debatte über europäische Standards in der Nutzenbewertung kann Deutschland profitieren. Vor allem die engere Verzahnung der Zulassungsbehörden und Nutzenbewertungsinstanzen im Arzneimittelsektor wäre ein echter Schritt nach vorne.“