Motiviert die Zusendung des neuen immunologischen Stuhlbluttests noch mehr Menschen als bisher zur Darmkrebsvorsorge? Belegen soll dies eine kürzlich im Südwesten gestartete randomisierte Studie mit rund 18.000 Versicherten zwischen 50 und 54 Jahren im AOK-HausarztProgramm. Initiatoren sind die Vertragspartner der Hausarzt- und Facharztverträge in Kooperation mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Die Ergebnisse werden 2019 erwartet.
Gesetzlich Versicherte haben ab dem 50. Geburtstag jährlich Anrecht auf einen Stuhlbluttest und ab dem vollendeten 55. Lebensjahr auf eine Vorsorgekoloskopie (VSK). In Baden-Württemberg wird für 55- bis 59-Jährige bereits seit Start des Facharztvertrags Gastroenterologie im Jahr 2011 auf freiwilliger Basis unter dem Motto ‚Darm-Check‘ ein persönliches Einladungsverfahren zu einer Darmspiegelung praktiziert. Im Vergleich zur Regelversorgung verdoppelte dies die Inanspruchnahme der VSK im Durchschnitt der letzten Jahre. 2014 wurde das Einladungsverfahren auf die Altersklasse 50-54 ausgedehnt und der Nutzen einer Koloskopie bereits in diesem Alter durch eine große gemeinsame Interventionsstudie von DKFZ und den Vertragspartnern an rund 85.000 Versicherten eindrucksvoll belegt.1
„Vorsorge ist gerade bei Darmkrebs unverzichtbar“, betont der Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg, Dr. Christopher Hermann. „Unsere Versicherten im Haus- und FacharztProgramm profitieren schon seit Jahren von den Einladungsverfahren zur kostenlosen Darmspiegelung.“ Deren Effektivität wollen die Vertragspartner noch weiter verbessern. Pilotstudien aus den Niederlanden2 und dem Saarland3 zeigen, dass dies durch den gleichzeitigen Versand von Einladungsschreiben und Stuhlbluttest möglich ist. Mit der neuen, Ende 2017 gestarteten randomisierten Studie wird die Wirkung von drei Einladungsoptionen überprüft, wobei der 2016 neu ins Krebsfrüherkennungsprogramm aufgenommene „fäkale immunchemische Test“ (FIT) verwendet wird. Er hat den bisher in Arztpraxen genutzten und ausgewerteten Guajak-basierten Stuhlbluttest abgelöst, der weniger sensitiv und deutlich aufwendiger durchzuführen ist und zudem nur wenig verwendet wurde. Ein Drittel der Teilnehmer erhielt per Post ein Anschreiben mit beigefügtem Stuhlbluttest, die zweite Gruppe zusätzlich zum Anschreiben eine niederschwellige Test-Bestellmöglichkeit (Post, Online, Fax) und das letzte Drittel wurde zur unmittelbaren Durchführung einer VSK eingeladen. Jeweils die Hälfte der beiden ersten Gruppen erhielt zudem ein Erinnerungsschreiben.
Primärer Endpunkt der Studie ist die Inanspruchnahme der Stuhlbluttests nach erfolgtem Anschreiben. Sekundäre Endpunkte sind unter anderem die Koloskopieraten nach positivem und negativem Test sowie die Rate neu entdeckter fortgeschrittener Adenome und Karzinome. Die Testergebnisse (positiv/negativ) werden derzeit über das DKFZ ermittelt und direkt an den Versicherten sowie parallel, je nach Wahl, auch an dessen behandelnden Arzt im HausarztProgramm gemeldet. Bei positivem Befund wird eine Besprechung mit dem Hausarzt zur Möglichkeit einer koloskopischen Abklärung empfohlen.
„Es ist ein großer Vorteil, dass wir in den Selektivverträgen die Bereitschaft und notwendige Flexibilität haben, um die Darmkrebsfrüherkennung fundiert weiter entwickeln zu können“, sagt der bng-Vorsitzende in Baden-Württemberg, Prof. Leopold Ludwig. „Und wir sind froh, dass die wissenschaftliche Begleitung der Studie wiederum Prof. Hermann Brenner vom DKFZ aus Heidelberg obliegt, der auf diesem Gebiet über eine ausgewiesene Expertise verfügt“, so der niedergelassene Gastroenterologe und MEDI-Sprecher aus Ulm.
1 Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 94–100. DOI: 10.3238/arztebl.2017.0094
2 Am J Gastroenterol 2014; 109:1257–1264. DOI: 10.1038/ajg.2014.168
3 Dtsch Arztebl Int 2017; 114:87–93. DOI: 10.3238/arztebl.2017.0087