Drei Jahre nach Vertragsbeginn haben sich die Erwartungen der Vertragspartner an den bundesweit ersten Facharztvertrag nach § 73c SGB V für Orthopäden, Unfallchirurgen und Chirurgen voll erfüllt. Im Südwesten liegt die Teilnehmerzahl mittlerweile bei über 550 Ärzten. Kontinuierlich wachsen auch Anzahl der behandelten Patienten und Honorarvolumen: 2016 wurden für über 340 Tsd. Versicherte rund 35 Mio. Euro Honorar ausgezahlt. Ergebnisse einer umfassenden Befragung bestätigen die Vorteile für Patientinnen und Patienten.
Endlich Zeit für eine umfassende biopsychosoziale Anamnese und eine kompetente Beratung, weniger unnötige apparative Diagnostik und Therapie, Förderung der Eigeninitiative der Patienten, angemessenes Honorar sowie eine bessere Koordination mit den Ärzten im Hausarztvertrag: Der Anfang 2014 im gemeinsamen FacharztProgramm von AOK Baden-Württemberg und Bosch BKK gestartete vierte Facharztvertrag stellt einen Paradigmenwechsel in der ambulanten orthopädischen Versorgung dar. Verantwortliche Partner auf Ärzteseite sind der Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), der Berufsverband niedergelassener Chirurgen (BNC) sowie MEDI Baden-Württemberg.
Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, unterstreicht die Neuausrichtung der gemeinsamen Versorgungsstrategie. „Wir wollen gerade im Orthopädievertrag weg von der „Fünf-Minuten-Spritzen-Medizin“ und legen zentralen Wert auf eine ganzheitliche Behandlung. Dafür braucht der Arzt genug Zeit, um sich ausgiebig und individuell mit den Problemen der Patientinnen und Patienten auseinanderzusetzen. Die bislang überaus positive Resonanz bei Versicherten und Ärzten bestätigt den eingeschlagenen Weg.“
BVOU-Sprecher Dr. Burkhard Lembeck ergänzt: „Im heutigen KV-System profitiert ein Arzt nach wie vor in erster Linie, wenn er viele, möglichst gesunde Patienten hat, die er nur einmal im Quartal zu sehen bekommt.“ Der morbiditätsorientierte Facharztvertrag verschaffe dagegen auch Spielräume für eine zeitintensive Versorgung. „Diese Zeit entsprechend vergütet zu bekommen, das ist das wichtigste innovative Element und das Alleinstellungsmerkmal des Facharztvertrages“, so Lembeck. Der Vertrag ist insbesondere auf eine verbesserte Versorgung orthopädischer Schwerpunktdiagnosen ausgelegt: unspezifischer Rückenschmerz (48%), Gon-Coxarthrose (37%), spezifischer Rücken-schmerz (33%), Osteoporose (9%) und entzündliche Gelenkerkrankungen (4%)*.
So ist es möglich, den Fokus auf schwer kranke und multimorbide Patienten zu legen und eine abgestimmte gestufte Versorgung zwischen Haus- und Facharzt zu erreichen. Dr. Gertrud Prinzing, Vorständin der Bosch BKK, unterstreicht einen weiteren Vorteil: „Gerade bei chronifizierenden Krankheitsbildern berücksichtigen die Vertragsstrukturen verstärkt Komorbiditäten und Einflussfaktoren aus dem sozialen Umfeld, wie etwa Stress oder Belastungen, was eine ganzheitliche Wahrnehmung des Patienten ermöglicht.“ Dazu können die teilnehmenden Ärzte wichtige Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch nehmen, beispielsweise einen Präventionsberater der AOK oder einen Patientenbegleiter der Bosch BKK hinzuziehen. „Auch deshalb ist der Orthopädievertrag für viele unserer Versicherten von so hoher praktischer Relevanz“, so Prinzing.
Derzeit suchen pro Quartal ca. 90 Tsd. Patientinnen und Patienten der über 530 Tsd. am FacharztProgramm teilnehmenden Versicherten einen Orthopäden oder Unfallchirurgen auf. Das entspricht etwa 50 Prozent der pro Quartal im FacharztProgramm behandelten Versicherten. Für diese Patienten betrug der Fallwert für ausschließlich konservativ tätige Ärzte im dritten Quartal 2016 rund 85 Euro und für operativ tätige Ärzte rund 104 Euro (exklusive Sachkosten).
Entsprechend positiv fällt auch die Drei-Jahres-Bilanz von Dr. Werner Baumgärtner, Vorstandsvorsitzender von MEDI Baden-Württemberg und MEDI GENO Deutschland, aus: „Durch die deutlich höheren Fallwerte ermöglicht der Vertrag den Ärzten eine ganz andere Behandlungsintensität und -qualität, von der unsere Patienten nachhaltig profitieren. Wichtig ist auch, dass das koordinierte Zusammenspiel zwischen Haus- und Facharzt besser funktioniert.“ Das belegt unter anderem die Auswertung einer umfassenden Patientenbefragung. Sie zeigt, dass die Überweisungsquote mit rund 90 Prozent deutlich höher liegt als in der Regelversorgung. Die Einzelergebnisse der Befragung sind derzeit noch in der Auswertung und werden im Laufe der nächsten Monate veröffentlicht.
Ferner wird noch in diesem Jahr der Startschuss für das derzeit in Verhandlung befindliche Rheumatologiemodul als Ergänzung des Orthopädievertrages erfolgen.